Ex-NSA-Direktor Binney: Staatsschutzgesetz wäre ein „großer Fehler“
Ehemaliger technischer Leiter der NSA-Datensammlung wies im Chat auf die Gefahren der Massenüberwachung hin
Der ehemalige NSA-Direktor William Binney hat sich im Chat auf derStandard.at vehement gegen das geplante Staatsschutzgesetz ausgesprochen. Dessen Einführung wäre ein „großer Fehler“, potenzielle Gefahren könnten dadurch nicht entdeckt werden. Dies habe er auch Mitgliedern des Innenausschusses im Nationalrat mitgeteilt. Binney gilt als eine Koryphäe im Bereich der elektronischen Überwachung. 37 Jahre verbrachte der US-Amerikaner bei der NSA, wo er zuletzt als technischer Direktor tätig war.
Doch Binney wurde 2001 klar, dass die damalige Regierung unter George W. Bush ein Überwachungsregime einführen wollte. Aus Protest verließ er die NSA, 2007 stürmten Sicherheitskräfte sein Haus. Sie warfen ihm vor, Geheimnisse verraten zu haben. Zu einem Gerichtsprozess kam es je- doch nie. „Es gibt Dinge, über die ich nicht reden darf“, erklärte Binney im Chat mit derStandard.atNutzern. Dabei handle es sich jedoch um spezifische Details seiner Arbeit bei der NSA.
Alternativen sichtbar machen
Zu Nutzen und Schaden der Massenüberwachung sowie Enthüllungen aus den Snowden-Dokumenten werde er jedoch nicht schweigen. Mit dem neuen Dokumentarfilm A Good American, bei dem der Österreicher Friedrich Moser Regie führt, will Binney die Debatte vorantreiben und an Alternativen zur Massenüberwachung erinnern.
So hatte Binney für die NSA selbst eine Überwachungssoftware mitentwickelt, die zwar alle Daten speichert, diese aber nur mit richterlichem Beschluss abrufbar macht. Das Programm wur- de allerdings zugunsten eines aggressiveren Absaugmechanismus abgesetzt. „Für mich ist das einer der größten Skandale des vergangenen Jahrzehnts“, sagt Moser im Chat. „Ironisch ist, dass NSA-Mitarbeiter sich selbst gegen Überwa- chung sträuben“, erzählte Binney. So wollte er in den frühen 1990erJahren ein internes NSA-Programm einführen, das die Aktivitäten jedes Mitarbeiters protokolliert hätte. Doch die Belegschaft der NSA wehrte sich: Analysten protestierten, Manager hatten Angst, für ihre Ausgaben zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das Programm wurde abgeblasen.
Dabei sei Kontrolle der Geheimdienstaktivitäten der wichtigste Faktor, um Missbrauch zu verhindern. Es müsse „Kontrollinstanzen wie parlamentarische Ausschüsse geben“, fordert Moser. Die handelnden Akteure müssten bei Fehltritten gerichtlich belangbar sein. Denn „Daten können auf jede erdenkliche Art missbraucht werden“, sagt Binney. Das habe er auch österreichischen Abgeordneten gesagt. Er hoffe nun, dass diese Vorschläge beim Staatsschutzgesetz berücksichtigt werden. „Die USA wollen, dass jedes Land ein ähnliches NSA-System aufbaut, damit es keine Alternative gibt“, sagt Binney. (fsc) pGanzes Chatprotokoll auf
derStandard.at/Web