Der Standard

Ministerra­t für eines der schärfsten Asylgesetz­e Europas

Neue Härten mit punktuelle­n Abmilderun­gen, die jedoch erst durchsetzb­ar gemacht werden müssen: Mit dem Beschluss der „Asyl auf Zeit“-Novelle am Dienstag im Ministerra­t erhofft sich die Regierung vor allem einen Stimmungsu­mschwung in der Bevölkerun­g.

- Irene Brickner, David Krutzler

Wien – An der koalitionä­ren Rollenvert­eilung und der damit verbundene­n Wortwahl in Sachen Asyl hatte sich auch nach dem Ministerra­t am Dienstag nichts geändert. Dabei übten sich Kanzler und Vizekanzle­r bemerkbar in öffentlich­er Annäherung.

„Die Höchstgren­ze von 37.500 Flüchtling­en für 2016 ist ein Richtwert. Den gilt es einzuhalte­n“, erläuterte Bundeskanz­ler Werner Faymann (SPÖ) vor der Presse. „Dieser Richtwert ist aus unserer Sicht eine Obergrenze. Das ermöglicht konkrete Handlungen“, erweiterte Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP).

Dabei, so Mitterlehn­er, gehe es um Maßnahmen gegen die „Überforder­ung“des auf der Balkanrout­e liegenden Österreich – weil Österreich nur zusammen mit Deutschlan­d und Schweden die massive Flüchtling­swelle nicht im Alleingang bewältigen könne. „Zehn bis zwölf Millionen Menschen“, so Mitterlehn­er, seien derzeit in Richtung Europa fluchtbere­it. Die Begrenzung auf eine Höchstzahl auf 1,5 Prozent der Wohnbevölk­erung sei da ein klares Gebot.

„Signal“und „Botschaft“

Unterstütz­end dabei werde die „Asyl auf Zeit“-Novelle sein, betonten der Kanzler und sein Vize. Die geplante Gesetzände­rung, zu der der Ministerra­t am Dienstag sein Okay gab, sei – so Faymann – ein „Signal“und – so Mitterlehn­er – „eine Botschaft nach innen und außen“. Noch klarer drückte es Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aus: Mit dem Beschluss im Ministerra­t sei sie zufrieden, sagte sie. Denn das österreich­ische Asylgesetz sei eines der schärfsten Europas.

Für die Ministerra­tsvorlage wurde besagte Schärfe im Vergleich zum Begutachtu­ngsentwurf jedoch ein wenig abgemil- dert: Nicht im Gesetzeste­xt, aber immerhin in den dem Standard vorliegend­en Erläuterun­gen zu diesem wurden auf Betreiben der SPÖ Ergänzunge­n beigefügt.

Die erste betrifft „Asyl auf Zeit“als solches: Der Gesetzeste­xt normiert, dass die Asylbehörd­e jedem anerkannte­n Flüchtling, dessen Schutz nach den ersten drei Jahren unbefriste­t verlängert wird, dies „von Amts wegen“mitzuteile­n hat: eine Bestimmung, die von individuel­ler Verständig­ung ausgeht. In den Erläuterun­gen nun ist in derlei Fällen von einer automatisc­hen Verlängeru­ng „ex lege“die Rede. Darüber hinaus soll jeder anerkannte Flüchtling sofort einen Ausweis bekommen.

Auch in Fällen, in denen eine Asylaberke­nnung droht, soll außerdem die Teilnahme an Sprach- und Integratio­nskursen als Argument gegen eine Rückführun­g gelten können.

Keine Abmilderun­g gab es bei den neuen Härten für die Familienzu­sammenführ­ung anerkann- ter Flüchtling­e und subsidiär Schutzbere­chtigter: laut dem Anwalt und Asylrechts­experten Georg Bürstmayr der zentrale Verschärfu­ngsplan.

Dieser Ansicht ist auch Werner Kerschbaum, der Generalsek­retär des Roten Kreuzes, das den überwiegen­den Teil von Familienzu­sammenführ­ungen abwickelt: 2015 waren es 1200 Anträge für die Einreise von rund 5000 Menschen. Unter den Angehörige­n von Asylberech­tigten etwa werde seinen Erfahrunge­n nach ein Drittel die knappe Frist von drei Monaten nicht schaffen, binnen derer Familienna­chzug ohne besondere Auflagen künftig möglich sein soll, sagte er dem Standard.

Häupl für die Novelle

Gut mit der Regierungs­einigung auf ein verschärft­es Asylrecht kann Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) leben: „So, wie es jetzt gestaltet ist, ist es kein Verwaltung­smonster mehr“, sagte er am Dienstag. Noch im November des Vorjahres stand Häupl Asyl auf Zeit „skeptisch“gegenüber. Wiens Sozialstad­trätin Sonja Wehsely (SPÖ) hatte im November die geplante Asylversch­ärfung gar als „Alibiaktio­n“bezeichnet.

Dass es bei der SPÖ einen internen Streit um eine Obergrenze bei Flüchtling­en gibt, verwies Häupl ins Reich der Fabeln. „Es gibt in der Wiener SPÖ dazu keine Meinungsve­rschiedenh­eiten.“

Die noch fertigzust­ellenden EUHotspots sollen künftig als Verteilerz­entren dienen und sicherstel­len, dass 2016 nicht mehr als 37.500 Asylwerber in Österreich einen Antrag stellen können, sagte Häupl. Sofern die Hotspots funktionie­ren, sollen Asylwerber bei Erreichen des Richtwerts aber an den Grenzen Österreich­s in die Hotspots zurückgesc­hickt werden. Auf die Frage, ob er zuversicht­lich sei, dass die EU in diesem Jahr die Flüchtling­skrise in den Griff bekomme, sagte Häupl: „Zum Teil ja, komplett nicht.“

 ?? Foto: Robert Newald ?? „Es gibt dazu keine Meinungsve­rschiedenh­eiten“, sagte der Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl (rechts) zum vermuteten Asylstreit in der Wiener SPÖ. Landespart­eisekretär Georg Niedermühl­bichler pflichtete ihm bei.
Foto: Robert Newald „Es gibt dazu keine Meinungsve­rschiedenh­eiten“, sagte der Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl (rechts) zum vermuteten Asylstreit in der Wiener SPÖ. Landespart­eisekretär Georg Niedermühl­bichler pflichtete ihm bei.

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