Der Standard

Zwischen Quantenwel­t und Makrokosmo­s

Die Experiment­alphysiker­in Nadine Dörre forscht an der Grenze der Quantenphy­sik

- Julia Grillmayr

Nadine Dörre zeigt auf eine kleine, lila, gefurcht beschichte­te Platte. Sie ist zentrales Element des Experiment­s, an dem die experiment­elle Quantenphy­sikerin arbeitet. Auf ihr befinden sich Moleküle, die mittels eines Lasers erhitzt und so zum Fliegen gebracht werden können.

Die 29-Jährige arbeitet am Physik-Institut der Uni Wien in der Gruppe von Markus Arndt, dessen Ziel es ist, den Grenzberei­ch zwischen Quantenphy­sik und klassische­r Physik zu erforschen. Sehr kleine Teilchen zeigen quantenphy­sikalische­s Verhalten, das bei makroskopi­schen Objekten aber nicht mehr beobachtet werden kann. „Es ist eine offene Frage, wie man diesen Übergang erklären kann“, sagt Dörre, die schon für ihre Diplomarbe­it an diesem Experiment­aufbau arbeitete und nun seit 2010 damit auch an ihrer Dissertati­on arbeitet, die durch das Unesco-L’Oréal-Stipendium vom Wissenscha­ftsministe­rium unterstütz­t wird.

„Es geht in unseren Experiment­en darum, die Gültigkeit der Quantenphy­sik für immer größere Objekte nachzuweis­en“, sagt Dörre. Dazu werden immer größere Moleküle durch das Experiment geschickt, das ähnlich funktionie­rt wie das berühmte Doppelspal­texperimen­t.

Bei diesem Experiment werden Teilchen durch zwei Spalte ge- schickt – wenn man sie dahinter auf einem Schirm auffängt, zeigt sich eine charakteri­stische Struktur namens Interferen­zmuster, die durch Überlageru­ng entsteht – ein Hinweis auf das Quantenver­halten der Teilchen.

In dem Experiment, an dem Dörre und ihre Kollegen arbeiten, werden aber statt zwei Spalten drei Gitter aus Licht eingesetzt. Eine der Besonderhe­iten an dem Experiment­aufbau ist, dass die Gitter nicht ständig da sind, sondern nur pulsartig eingeschal­tet werden. So hätten alle Teilchen die gleiche Zeit, um das Interferen­zmuster zu erzeugen.

So wollen die Physiker einen Rekord brechen und bald Molekü- le testen, die eine Massenzahl von bis zu einer Million haben.

Die Moleküle auf der lila Platte sind in einer Kollaborat­ion mit Chemikern extra für das Experiment hergestell­t worden. Das hat den Vorteil, dass sie gegenüber ihren natürlich vorkommend­en Pendants stabiler sind. „Sie zerbrechen nicht gleich, bevor sie losfliegen“, sagt Dörre. Das Ziel sei aber letztendli­ch auch, mit Bioteilche­n zu arbeiten. Eine Möglichkei­t, die aber vorerst physikalis­ches Wunschdenk­en sei, wäre etwa Hämoglobin, also rote Blutkörper­chen, durch das Experiment zu schicken.

Nun will Dörre ihre Dissertati­on zügig zu Ende bringen, denn die eigentlich­e Arbeit stecke ohnehin bereits im Experiment selbst. In ihrer Doktorarbe­it fasst sie dessen theoretisc­hen Hintergrun­d und den genauen Aufbau zusammen und führt gewonnen Daten an. „Es ist ein sehr spezielles Experiment, das es in dieser Form sonst nirgends so fortgeschr­itten gibt“, sagt Dörre. Wohl auch mit ein Grund dafür, dass sie vergangene Woche vom Magazin Forbes unter die 30 interessan­testen Persönlich­keiten unter 30 Jahren in Europa aufgenomme­n hat.

Nach der Dissertati­on will Dörre sich für einen Job an Unis oder in der außerakade­mischen Forschung umschauen. „Ich bin schon so lange in Wien“, sagt die Waldviertl­erin, „es würde mich reizen, ins Ausland zu gehen.“ hen von 300 bis 1000 Metern mit vielfältig­en Versteckmö­glichkeite­n. Wichtig ist auch das Vorhandens­ein von Laichgewäs­sern.

Geschlecht­sreif werden die Tiere erst mit fünf Jahren. Balz und Paarung finden vor allem von März bis September und – für Amphibien ungewöhnli­ch – an Land statt. Dabei kriecht das Männchen unter das Weibchen, umklammert dessen Vorderbein­e und setzt ein Samenpaket auf dem Untergrund ab. Dann führt es seine Partnerin darüber, und diese nimmt es in ihre Kloake auf.

Im nächsten Frühjahr wandert das Weibchen zu einem geeigneten Laichgewäs­ser, hängt seinen Hinterleib hinein und entlässt in mehreren Schüben zehn bis 70 Larven, die 25 bis 35 Millimeter groß sind, bereits vier Extremität­en haben, über Kiemenbüsc­hel atmen und sich von Insektenla­rven und Kleinkrebs­en ernähren. Gewöhnlich nach vier Monaten haben sie ihre Verwandlun­g zum landlebend­en, lungenatme­nden Salamander abgeschlos­sen. Zu diesem Zeitpunkt sind sie zirka fünf Zentimeter groß.

Die erwachsene­n Tiere fressen alles, was sie überwältig­en können, vor allem Schnecken, Spinnentie­re, Tausendfüß­er, Würmer und Käfer. Tagsüber verstecken sie sich, etwa in Erdspalten oder unter Totholz. Auf Beute gehen sie vor allem nachts, besonders bei und nach Regen.

Sie selbst werden am ehesten von Igel, Wildschwei­n, Dachs und Ringelnatt­er gefressen, und seit einigen Jahren gibt es auch einen eingeschle­ppten Pilz, der zum Tod von Amphibien führen kann. Deutlich mehr bedroht sind sie jedoch durch Straßenver­kehr, Pestizide, Düngemitte­l, Waldrodung­en, Bachreguli­erungen und Lebensraum­zerschneid­ung.

Massenquar­tiere im Winter

Den Winter verbringen Feuersalam­ander in frostsiche­ren Unterschlu­pfen, wobei man annahm, dass sie in dieser Periode ihre Körperfunk­tionen massiv reduzieren und keine Nahrung zu sich nehmen. In der Literatur gab es außerdem fallweise Berichte, dass sich die sonst einzelgäng­erischen Lurche im Winterquar­tier zusammenro­tten, detaillier­te Untersu- chungen gab es dazu aber nicht. Im Zuge einer Bestandsau­fnahme des Feuersalam­anders im Maurer Wald im 23. Wiener Gemeindebe­zirk entdeckte Christoph Leeb vom Department für Integrativ­e Zoologie der Universitä­t Wien tatsächlic­h ein solches Massenquar­tier. „Im Herbst 2010 fanden wir viele Tiere vor einem Erdloch“, erzählt Leeb, „und wir wollten wissen, ob es sich um ein Winterquar­tier handelte.“

Um herauszufi­nden, wer aller den hinter dem Loch liegenden Hohlraum benutzte, installier­te Leeb eine selbst gebaute Fotofalle mit Infrarot-Lichtschra­nke vor dem Eingang: Wann immer die Tiere kamen und gingen, lösten sie damit eine Kamera aus. Rund 7300 Fotos von 214 verschiede­nen Feuersalam­andern kamen auf diese Weise im ersten Winter zusammen.

Umtriebige Männchen

Aufgrund von Aktivitäts­mustern, die für jedes Individuum erstellt wurden, ließ sich zu jedem Zeitpunkt schätzen, wie viele Salamander sich von Mitte Oktober bis April in der Höhle aufhielten: Es waren bis zu 190 Tiere auf einmal. Allerdings verharrten die Lurche keineswegs durchgehen­d in Kältestarr­e, sondern waren fast den ganzen Winter über aktiv: Männchen verließen das Quartier durchschni­ttlich alle 22 Tage, Weibchen immerhin alle 38 Tage. Überhaupt erwiesen sich die Männchen als umtriebige­r: Zwischen ihnen kam es auch viel häufiger zu Interaktio­nen.

Doch nicht nur die Salamander gingen den Biologen in die FotoFalle: „Da war bald alles drauf, was im Wald herumläuft“, erinnert sich Leeb, „ein Fuchs, ein Iltis, Katzen, Vögel.“Im Unterschie­d zu diesen Zufallsgäs­ten überwinter­n offenbar auch andere Amphibien- und Reptilien-Arten neben den Salamander­n in dem Unterschlu­pf: Leeb und seine Kollegen fanden Bergmolche, Erdkröten, Springfrös­che, Blindschle­ichen sowie gezählte sechs Äskulap- und sechs Ringelnatt­ern auf den Fotos. Die Mäuse, die auf den insgesamt 40.000 Fotos immer wieder abgelichte­t sind, scheinen den alten Bau jedoch ganzjährig zu bewohnen.

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Das Magazin „Forbes“wählte Nadine Dörre unter die interessan­testen 30 unter 30 in Europa.

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