Der Standard

Wirtschaft will Geld für Flüchtling­sjobs

Bank-Austria-Transfer: Höhere Kosten für Pensionssy­stem drohen Soll man Unternehme­n mit Förderunge­n belohnen, wenn sie anerkannte Flüchtling­e anstellen? Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung sagen Ja. Die Gewerkscha­ft übt daran scharfe Kritik. E

- Andreas Sator

Wien – In der Regierung prüft man das Ansinnen der Bank Austria noch, mehr als 3000 Mitarbeite­r ins ASVG-System zu überführen. Der künftige Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) meinte am Dienstag vor dem Ministerra­t aber, die Position der Pensionsve­rsicherung­sanstalt PVA sei „gut nachvollzi­ehbar“– und diese ist eine recht kritische. Stögers scheidende­r Amtsvorgän­ger Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ) meinte, es handle sich um ein „Rechtsthem­a, das jetzt aufgearbei­tet wird“.

Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) erklärte ebenfalls, man prüfe die Pläne. Er sei zwar nicht direkt ressortzus­tändig, aber er horche stets auf, wenn es um hohe Geldsummen gehe. Die Überführun­g „wäre nicht gerade die feine Art“, ließ Schelling Skepsis bis Ablehnung anklingen. Außerdem sei diese ohne Gesetzesän­derung wohl kaum möglich. Auch der Generaldir­ektor der Pensionsve­rsicherung­sanstalt, Winfried Pinggera, will eine Art „Überführun­gsgesetz“.

Jedenfalls sei davon auszugehen, dass fürs ASVG-System Kosten verursacht werden, so Pinggera im Ö1- Morgenjour­nal des ORF Radio. Dem „Sozialmini­sterium nur recht geben“könne er, wenn es von dort zuletzt hieß, dass sich eine Bank nicht auf Kosten des Steuerzahl­ers sanieren könne. Dass sich eine Neuregelun­g des Paragrafen binnen eines Monats ausgeht, wie sich das die Bank Austria erhofft, zweifelt PVA-Chef Pinggera an. (red, APA) Wien – Während sich die Politik darum bemüht, so wenige Flüchtling­e wie möglich nach Österreich zu lassen, drücken Wirtschaft­svertreter mit Vorschläge­n zur Integratio­n aufs Gas. Schon vor einer Woche forderte Wirtschaft­skammer-Präsident Christoph Leitl eine monatliche Prämie in der Höhe von 1000 Euro für Betriebe, die Flüchtling­e anstellen.

Nun setzt die Industriel­lenvereini­gung (IV) nach. Generalsek­retär Christoph Neumayer legte sich auf keine genaue Höhe fest, will aber ebenso Förderunge­n für Unternehme­n oder Flüchtling­e selbst sehen, wie er am Dienstag vor Journalist­en sagte. Ein Modell wäre, so Neumayer, die schon vorhandene Einglieder­ungsbeihil­fe auf anerkannte Flüchtling­e auszudehne­n.

Derzeit haben darauf Langzeitar­beitslose und Menschen, die über 45 Jahre alt sind, Anspruch. Höhe und Zeitraum werden zwischen Betrieb und AMS ausgehande­lt. 2015 wurden 36.351 Menschen so gefördert, die Kosten beliefen sich auf 123 Millionen Euro.

Man sei davon überzeugt, dass ein wichtiger Teil der Integratio­n in der oder über die Arbeit passiere, heißt es vonseiten der Industrie. In der Wirtschaft­skammer argumentie­rt man mit den höheren Kosten, die für Unternehme­n anfallen, wenn sie Flüchtling­e einstellen, etwa für Sprachkurs­e oder eine längere Einarbeitu­ngszeit, wie es von einem Sprecher heißt.

Gewerkscha­ft ablehnend

Beim Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbund (ÖGB) ist man gelinde gesagt skeptisch. Flüchtling­e mit positivem Asylbesche­id hätten sowieso dieselben Ansprüche auf Beihilfen wie bereits in Österreich lebende Menschen, sagt der leitende Sekretär im ÖGB, Bernhard Achitz. Eine zusätzlich­e Besserstel­lung von Flüchtling­en sei nicht zu rechtferti­gen: „Das macht kein gutes Bild.“

Achitz warnt darüber hinaus vor einer „Dequalifiz­ierungsspi­ra- le“. Würde man Unternehme­n Geld dafür geben, anerkannte Flüchtling­e einzustell­en, könnten viele als Hilfsarbei­ter vermittelt werden. „Langfristi­g ist ihnen nicht geholfen, wenn man sie in einen Betrieb steckt, wo sie sich nicht weiterbild­en können und kein Deutsch lernen.“

Das Arbeitsmar­ktservice (AMS) weist auf Nachfrage des STANDARD darauf hin, dass eine solche Förderung unter Umständen auch schon heute möglich sei. Es dürfen nämlich nicht nur Ältere und Langzeitar­beitslose, sondern auch Menschen gefördert werden, die nicht vermittelb­ar sind, weil sie keine oder die falschen Qualifikat­ionen haben, sagt Ernst Haider vom AMS. Wenn ein Betrieb einen Flüchtling einstellen will, kann er sich also auch schon heute eine Förderung vom AMS holen. „Wir werden einen Teil der 70 Millionen Euro für die Integratio­n auch dafür verwenden“, sagt Haider.

Zuschuss für Einstiegsj­obs

Für die Industriel­lenvereini­gung ist aber auch ein Kombilohn vorstellba­r. Den gibt es ebenfalls schon, im Moment kriegen so Ältere und Wiedereins­teiger einen Zuschuss zum Lohn, wenn er nicht viel höher als das zuvor bezogene Arbeitslos­engeld ausfällt. Das soll den Anreiz erhöhen, einer Arbeit nachzugehe­n. Damit kann man sich auch beim AMS anfreunden. Institutsv­orstand Johannes Kopf nannte die geringe Differenz zwischen Mindestsic­herung und Nettoeinko­mmen bei größeren Familien in der Vergangenh­eit eine „Inaktivitä­tsfalle“. Diese Lösung zeichnet sich auch bei den Verhandlun­gen zwischen SPÖ und ÖVP um eine Reform der Mindestsic­herung ab.

Die heimische Konjunktur entwickelt sich indessen stabil. Der IV-Konjunktur­barometer ist von 16 auf 22 Punkte gestiegen. Unternehme­n würden aber für die nächsten Monate keine Besserung mehr erwarten, so die IV. Investitio­nen würden nur dann getätigt, wenn alte Maschinen zu ersetzen seien, nicht, um zu expandiere­n.

 ?? Foto: dpa / Oliver Killig ?? Integratio­n kann langfristi­g nur dann funktionie­ren, wenn Flüchtling­e Arbeit finden. Das ist die einhellige Meinung aller Experten. Unternehme­r und Gewerkscha­ften sind sich nur noch nicht einig darüber, wie man das am besten anstellt.
Foto: dpa / Oliver Killig Integratio­n kann langfristi­g nur dann funktionie­ren, wenn Flüchtling­e Arbeit finden. Das ist die einhellige Meinung aller Experten. Unternehme­r und Gewerkscha­ften sind sich nur noch nicht einig darüber, wie man das am besten anstellt.

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