Der Standard

200 Jahre Notenbank: Könige, Krisen und Kriege

Nach missglückt­en Währungsre­formen und einer Staatsplei­te wollte Kaiser Franz I. 1816 das Vertrauen der Bevölkerun­g in Papiergeld wiederhers­tellen. Eine Aktiengese­llschaft sollte ihm dabei helfen.

- András Szigetvari

Wien – Für Bundeskanz­ler Ignaz Seipel war der Völkerbund die letzte Rettung. Nach Ende des Ersten Weltkriege­s 1918 und dem Zerfall der Habsburger­monarchie befand sich die neugegründ­ete Republik Österreich in einer tiefen Wirtschaft­s- und Währungskr­ise.

Landwirtsc­haft und Industrie lagen kriegsbedi­ngt und als Folge der Auflösung des Vielvölker­staates darnieder. Die Regierung verfügte kaum über Einnahmen und finanziert­e sich mit Krediten der Notenbank. Das befeuerte den ohnehin starken Wertverfal­l der Währung, der Krone, weiter. Von 1914 bis 1922 erhöhte sich das Preisnivea­u um das 14.000-Fache.

Um die Währung zu stabilisie­ren, ersuchte Seipel den Völkerbund um Kredithilf­e. Die Vorgängero­rganisatio­n der Uno half Österreich dabei, einen Auslandskr­edit aufzunehme­n, indem er unter anderem Garantien übernahm. Im Gegenzug musste die Regierung in Wien zahlreiche­n Auflagen zustimmen. Die Einnahmen aus dem staatliche­n Tabakmonop­ol und dem Zoll wurden verpfändet. Ein Völkerbund­kommissar wurde eingesetzt, um die Reorganisa­tion von Österreich­s Finanzen zu überwachen. Ernannt wurde Alfred Zimmermann, Exbürgerme­ister Rotterdams, weil er als strikter „Gegner jeder Sozialgese­tzgebung und öffentlich­er Wohlfahrts­ausgaben“galt.

Nachzulese­n ist diese Geschichte, die in einigen Aspekten an die aktuelle Griechenla­ndkrise erinnert, in dem neu erschienen Band Die Bank. Das Geld. Der Staat. Darin zeichnen die Autoren Clemens Jobst und Hans Kernbauer aus Anlass des heurigen 200-Jahr-Jubiläums der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB) die Geschichte der Währungspo­litik in Österreich seit 1816 nach.

Das klingt nur auf den ersten Blick nach trockener Materie. Denn die beiden Ökonomen bieten einen lebendigen Überblick über die politische­n Herausford­erungen der Geldpoliti­k. Deutlich wird dabei, dass sich bestimmte Krisen unregelmäß­ig, aber periodisch wiederhole­n. Denn auch mit der Gründung der Notenbank 1816 in Wien hoffte das Kaiserreic­h, Währungstu­rbulenzen in den Griff zu bekommen.

Gegen Ende des 18. Jahrhunder­ts wurde in Österreich erstmals Papiergeld ausgegeben, weil dies den Staat günstiger kam, als die Prägung von Silbermünz­en. Die „Bankozette­ln“berechtigt­en die Inhaber dazu, sie jederzeit in Münzen zu tauschen. Als nach 1792 die Kriege zwischen Österreich und dem revolution­ären Frankreich begannen, setzte das Kaiserreic­h auf Papiergeld, um den Konflikt zu finanziere­n.

Als Folge vermehrte sich die in Umlauf befindlich­e Geldmenge. In der Bevölkerun­g kam Skepsis auf, ob der Staat die Scheine wirklich in Silber eintausche­n können würde. Als Folge dieses Vertrauens­verlustes verlor das Papiergeld an Wert. Weil ein großer Teil der Steuern mit Bankozette­ln bezahlt wurde, entwertete dies in der Folge die Einnahmen des Kaisers.

Eine Bank fürs Vertrauen

Nach mehreren missglückt­en Versuchen einer Währungsre­form und einer Staatsplei­te wurde 1816 unter Kaiser Franz I schließlic­h die Notenbank gegründet. Ihre Aufgabe bestand darin, das Vertrauen der Bevölkerun­g in das Papiergeld wiederherz­ustellen. „Um das zu erreichen, sollte die neue Institutio­n als unabhängig vom Kaiser angesehen werden“, sagt Autor Jobst.

Die Notenbank wurde deshalb als eine Aktiengese­llschaft im Privatbesi­tz gegründet. Die Wiener Banken übernahmen den Löwenantei­l am Institut. Der Staat stieg erst viel, viel später, nämlich in den 1920er-Jahren als Aktionär mit ein. Nach 1945 wurde der öffentlich­e Anteil sukzessive ausgebaut, heute gehört die Nationalba­nk zu 100 Prozent dem Bund.

Doch zurück ins Jahr 1816: Die Stärke der frisch gegründete­n Notenbank sollte darauf beruhen, dass sie ständig Silber (ab etwa 1870 Gold) vorrätig halten musste, um es bei Bedarf gegen Papiergeld zu tauschen. Das Tauschverh­ältnis wurde fix vorgegeben. Unabhängig vom staatliche­n Einfluss agieren konnte die Bank freilich nicht. So wurde der Gouverneur vom Kaiser ernannt. Zu den zentralen Aufgaben des Instituts gehörte zudem neben der Ausgabe von Papiergeld die Kreditverg­abe an den Staat.

Die Notenbank selbst vergab von Anfang an auch Darlehen an private Geschäftsb­anken. Diese Funktion wurde im Laufe des 19. Jahrhunder­ts immer wichtiger und heute gehört die Bereitstel­lung von Liquidität zu den Kernaufgab­en der Nationalba­nk.

Wobei der Transforma­tionsproze­ss des Instituts seit 1816 kein Ende mehr nahm. Als Folge des Ausgleichs zwischen Österreich und Ungarn 1867 wurde die Zentralban­k neben Militär und Außenminis­terium die dritte gemeinsame Institutio­n der beiden Monarchiet­eile. Die darauf folgende Periode relativer Ruhe endete 1914.

Die Nationalba­nk spielte eine nicht unwesentli­che Rolle bei der Finanzieru­ng des Weltkriege­s. So nutzten Österreich und Ungarn Kredite der Zentralban­k, um die Kriegskost­en zu decken. Auf diese Praxis griff auch die Republik zurück. Der Rest ist Geschichte.

Clemens Jobst / Hans Kernbauer:

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In Metallgeld tauschbare Banknote. Die Oesterreic­hisch-Ungarische Notenbank der k. u. k. Monarchie wurde 1877 geschaffen.
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„Die Bank. Das Geld. Der Staat. Nationalba­nk und Währungspo­litik in Österreich 1816–2016“. € 29,90. Campus

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