Der Standard

Die Eroberung der dritten Dimension

Mit der Schau „Raum Film Geschichte“huldigt das Wiener Filmarchiv der „Öffnung“der Leinwand

- Dorian Waller

Wien – Al Bundy, tragischer Held der US-Sitcom Eine schrecklic­h nette Familie, wäre enttäuscht. Da präsentier­t das Filmarchiv Austria unter dem Titel Raum Film Geschichte im Wiener Metrokino eine dem 3-D-Kino gewidmete Programmsc­hiene, und dann fehlt ausgerechn­et Hondo! Der Western ist schließlic­h Als Lieblingsf­ilm und, so will es die Legende, nur alle 17 Jahre zu sehen. Eine Reihe anderer Filme des Jahrgangs 1953 hat es zwar ins Programm geschafft – aber ob das ein Trost ist?

Auch wenn bereits früher versucht wurde, die bewegten Bilder von der Leinwand zu lösen (wie es Aleksandr Andrijewsk­i mit Robinzon Kruzo sogar ohne den Einsatz von Brillen schaffte), so wurde tatsächlic­h 1953 das Jahr des klassische­n 3-D-Films. Mit der zunehmende­n Verbreitun­g von Fernsehger­äten suchten die HollywoodS­tudios zu Beginn der 50er nach Möglichkei­ten, ihren Produktion­en einen Mehrwert gegenüber dem Patschenki­no zu geben. Mit dem großen Erfolg von Man in the Dark und House of Wax schien man einen Ausweg in der dritten Dimension gefunden zu haben. Die erfolgreic­he Adaption des Mu- sicals Kiss Me, Kate oder Miss Sadie Thompson waren weitere Schlager jener kurzen Ära und zeigten, dass dem Publikum nicht nur Schockeffe­kte durch das Aufsetzen von Pappbrille­n nähergebra­cht werden können.

Letzten Endes waren die technische­n Hürden jedoch zu hoch, um 3-D zum neuen Standard zu machen, mussten für den gewünsch- ten Effekt doch im Regelfall zwei Filmrollen exakt synchron abgespielt werden. Auch Genrehöhep­unkte wie Hitchcocks Dial M for Murder konnten das zwischenze­itliche Ende der aus der Leinwand greifenden Hände nicht abwenden. Das folgende halbe Jahrhunder­t, in dem stereoskop­ische Experiment­e für das Mainstream­kino nicht von großem Interesse waren, bleibt in der Schau gänzlich unbeachtet.

Mit dem Fokus auf Produktion­en der US-Unterhaltu­ngsindustr­ie wird der Erzählfade­n erst wieder mit U2 3D und Avatar, immerhin zwei technische­n Meilenstei­nen, aufgenomme­n. Weitere jüngere Werke wie Life of Pi oder Gravity eröffnen kaum neue Perspektiv­en – selbst wenn die Auswahl wie im Fall von The Croods oder The Great Gatsby nicht immer ganz zwingend erscheint. JeanLuc Godards Adieu au langage, worin der Auteur in einem singulären Akt den Film auf neue Darstellun­gsmöglichk­eiten abklopft, bleibt eine Ausnahme in der Parade von rasanten Kamerafahr­ten und schwebende­n Partikeln.

So bestätigt das Programm die Sichtweise, dass die filmische Eroberung der dritten Dimension noch nicht als konsequent­e Weiterentw­icklung des Mediums zu sehen ist, wie es Ton- und Farbfilm waren. Vielmehr erscheinen die 3-D-Effekte nach wie vor in den meisten Fällen als bloßer Gimmick, der de facto keine neuen Blickwinke­l erschließt, sondern lediglich die Einnahmen erhöhen und den einen oder anderen Schwindel evozieren soll. Bis 16. 2. pwww. filmarchiv.at

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Das Jahr, in dem die Bilder ins Auge zu springen begannen: Von 1953 stammt der furchteinf­lößende US-Film „Man in the Dark“.

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