Der Standard

Drama-Queens

- Beate Hausbichle­r

Die 1990er und auch noch die 2000er waren goldene Jahre für die TV-Medizin. Heute sind Krankenhau­sserien nicht mehr sonderlich in Mode. Doch Grey’s Anatomy hält bereits seit 2005 zwischen Polit-, Fantasyode­r Historiens­erien noch tapfer das Skalpell hoch. Nach einer Weihnachts- und Jahreswech­selpause zeigt der ORF nun am Montagaben­d die restlichen Folgen der elften Staffel.

Vom ursprüngli­chen Cast ist nicht mehr viel übrig. Nicht verwunderl­ich, wird die Crew des Seattle Grace Hospital doch regelmäßig von Megakatast­rophen heimgesuch­t: Autounfäll­e, Krebs, Amokläufe oder scharfe Bomben im Körper eines Patienten – da lässt es sich wahrlich schwer überleben.

Wurden Fans nicht schon durch diesen ständigen Ausnahmezu­stand vertrieben, dürften der Schnulzenp­op in Dauerschle­ife im Hintergrun­d, der die hochfreque­ntierten hochemotio­nalen Momente untermalt, oder die abgeschmac­kten Lebensweis­heiten von Hauptfigur Meredith Grey aus dem Off einige zum Umschalten bewegt haben.

Aber es gibt etliche Pluspunkte: Die Serie beweist Selbstiron­ie. „Ihr Mann wurde angeschoss­en, Sie wären fast ertrunken und sind mit einem Flugzeug abgestürzt“, solche bestärkend gemeinten Trostworte für eine Kollegin, die schon das nächste Unheil erahnt, kann es nur in Grey’s Anatomy geben. Die Medizinzam­panos wurden fast zur Gänze durch – natürlich grenzgenia­le – Göttinnen in Weiß ausgetausc­ht, mit Abtreibung­en ging man in der Serie liberal wie kaum zuvor um, auf Hollywood-Schönheits­ideale wird teils gepfiffen, und hetero sind auch nicht mehr alle. Grey’s Anatomy passt noch bestens ins Jahr 2016. Weitermach­en. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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