Länder sanktionieren zu wenig bei Mindestsicherung
AMS-Chef Buchinger: Daten über Jobverweigerer werden nicht abgerufen
Wien – Die Abstimmung zwischen den Sozialhilfebehörden in den Ländern und dem Arbeitsmarktservice (AMS) funktioniert keineswegs reibungslos. AMS-Vorstand Herbert Buchinger kritisiert im STANDARD- Gespräch, dass die AMS-Stellen zwar schon bisher detaillierte Informationen darüber speicherten, wer Job- und Kursangebote verweigere, diese Daten aber von „mehr als der Hälfte“der Behörden in den Ländern gar nicht abgerufen würden.
Daher würden wesentlich seltener Sanktionen verhängt, als das möglich wäre, meint Buchinger. Bei mangelnder Arbeitswilligkeit kann der Lebensunterhalt theoretisch um bis zu 50 Prozent gekürzt werden. Die Probleme führt Buchinger auch auf nicht automatisierte EDV-Systeme zurück. Es brauche daher „dringend eine Handlungsanleitung“für die Sachbearbeiter und „eine verbesserte Technik“. Bis zum Sommer soll ein neuer Bund-Länder-Vertrag zur Mindestsicherung ausgehandelt werden. Die ÖVP drängt dabei auf eine Obergrenze von 1500 Euro. (red)
Wien – Bei der Mindestsicherung soll stärker darauf geachtet werden, dass bestehende Sanktionsmöglichkeiten auch tatsächlich genutzt werden. So weit waren sich SPÖ, ÖVP und die Länder vergangene Woche beim Asylgipfel einig. Vereinbart wurde, dass das Arbeitsmarktservice (AMS) den Ländern „tagesaktuell“alle Informationen zur Verfügung stellen soll, wer Kurs- oder Jobangebote verweigert.
Für AMS-Vorstand Herbert Buchinger ist das „technisch kein Problem“, wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Schon jetzt übermittle man einmal im Monat alle Daten zu Vormerkzeiten, Leistungsbezug und Verweigerungsverhalten. Wenn gewünscht, mache man das eben künftig täglich.
In der Praxis liege das Problem aber ohnehin nicht bei den fehlenden AMS-Daten, sondern im Vollzug durch die Sozialhilfebehörden in den Ländern. „Mehr als die Hälfte der Behörden ruft die Daten des AMS gar nicht ab.“
Folglich komme es trotz einer Sperre des Arbeitslosengeldes häufig zu keinen Sanktionen – also einer Kürzung – bei der Mindestsicherung. Mangels zentraler Datenbanken könne er zwar keine konkreten Zahlen nennen, wie oft das passiere, aber: „Unsere Leute berichten, dass bei den Sozialhilfebehörden nur sehr schleppend reagiert wird. Es ist offensichtlich, dass dort viel weniger sanktioniert wird als bei uns“, so Buchinger. „Offenbar gibt es für die Sachbearbeiter zu wenig Anweisungen, wie vorzugehen ist und in welcher Höhe Sanktionen zu rechtfertigen sind.“Es brauche daher „dringend eine Handlungsanleitung und auch eine verbesserte Technik“, so Buchinger. Derzeit habe fast jede Bezirkshauptmannschaft ein eigenes System. Die vom AMS bei einer Datendrehscheibe des Hauptverbands gespeicherten Informationen müssten von jedem Sachbearbeiter in den Ländern händisch abgefragt werden. „Das gehört automatisiert“, fordert Buchinger.
Gelegenheit für Änderungen wird es bald geben. Bund und Länder verhandeln soeben über einen neuen Vertrag zur Mindestsicherung. Bis zum Sommer wird eine Einigung angestrebt. Einige Länder haben bereits – nicht zuletzt wegen der steigenden Asylzahlen – vorgeschlagen, die Mindestsicherung zu einer reinen Bundeskompetenz zu machen. Das würde auch Buchinger begrüßen. Diskutiert wurde das schon 2010. Gescheitert sei das Vorhaben letztlich an der Frage, wer die Ausgaben für diese Sozialleistung vorfinanziere, so Buchinger.
Nur für Arbeitsfähige
Klar sei jedenfalls, dass sich das AMS nur um die arbeitsfähigen Mindestsicherungsbezieher kümmern könne. Für arbeitsunfähige Menschen müsste sich auch im Falle einer reinen Bundeskompetenz eine andere Stelle – etwa das Bundessozialamt – kümmern.
Dem Vorschlag der schwarzblauen Regierung in Oberösterreich, die Mindestsicherung für Flüchtlinge zu halbieren, steht Buchinger reserviert gegenüber. „Ich wüsste nicht, warum die Lebenshaltungskosten von Asylberechtigten niedriger als von Österreichern sein sollen.“Diskutieren könne man aber, ob das Versorgungsniveau insgesamt bei mehreren Beziehern in einem Haushalt angemessen sei.