Terror: Streit mit Hollande
Pariser Justizministerin zurückgetreten
Paris – Im Streit um die französische Antiterrorpolitik hat Justizministerin Christiane Taubira die Konsequenzen gezogen und ihren Rücktritt eingereicht. Ihr soll der „Realo-Sozialist“Jean-Jacques Urvoas folgen, der als bedingungsloser Gefolgsmann von Präsident François Hollande gilt.
Taubira hatte sich mehrfach gegen Pläne ausgesprochen, Personen, die wegen Terrorismus verurteilt wurden, eine französische Doppelstaatsbürgerschaft zu entziehen, auch wenn sie in Frankreich geboren wurden. Bisher kann die Staatsbürgerschaft nur denjenigen aberkannt werden, die sie erst im Laufe ihres Lebens erhalten haben.
Heute, Donnerstag, wird Irans Präsident Hassan Rohani im Zuge seiner Europa-Reise in Paris von Hollande empfangen. (red)
Die rechte Opposition jubiliert, und selbst in der Linksregierung atmen einige hörbar auf: Christiane Taubira (63) galt als kratzbürstige, kapriziöse Ministerin, die Mitarbeiter und Parteifreunde zur Weißglut treiben konnte, aber felsenfest zu ihren Überzeugungen stand. Aus diesem Grund verzichtet Taubira auf das dritthöchste Amt der französischen Regierung: Sie war von Beginn an gegen die Absicht von Präsident François Hollande, einzelnen Terroristen die französische Staatsbürgerschaft abzuerkennen.
„Widerstand zu leisten bedeutet manchmal zu bleiben und manchmal zu gehen“, schrieb sie auf Twitter. „Aus Treue zu sich, zu uns. Damit die Ethik und das Recht das letzte Wort haben.“
„Schnauze halten oder ...“
Der Spruch erinnert an das legendäre Bonmot des früheren sozialistischen Verteidigungsministers Jean-Pierre Chevènement, der 1991 aus Protest gegen den französischen Irakkriegseinsatz abgetreten war: „Ein Minister hält seine Schnauze oder tritt zurück.“
Taubira entstammt dem gemäßigten „Parti radical de gauche“(PRG), einer treuen Juniorpartnerin der Sozialisten. Die in Französisch-Guayana geborene Nachfahrin von Sklaven kämpfte zuerst im Untergrund für die Unabhängigkeit ihres Überseedepartements. Lange Jahre vertrat es die fünffache Mutter in der Pariser Nationalversammlung. 2001 setzte sie die Einführung eines nationalen Gedenktages für Sklaverei durch.
2012 holte Hollande sie in die Regierung. Taubira galt anfangs als deren Schwachstelle. Das änderte sich, als sie mit ein paar rhetorisch brillanten Auftritten der Rechtsopposition den Meister zeigte. Ihrem Mundwerk und herzhaften Lachen war niemand gewachsen; ihre wichtigste Vorlage, die Homo-Ehe, verteidigte sie in einer einstündigen freien Rede.
Rassistische Attacken der Art, sie sei „schlau wie eine Äffin“, konterte sie mit Gelassenheit und einer erfolgreichen Klage. Über die politische Linke hinaus war Taubira zuletzt populärer als Hollande. Das fiel umso mehr auf, als ihre liberalen Ideen bei den Franzosen nach den Attentaten kaum ankamen. Doch Taubira war so etwas wie das linke Gewissen der Regierung.
Deshalb dürfte die wehrhafte
die Opfer der Schwerarbeiterin Hollande bald einmal fehlen. Der Präsident fährt nunmehr einen betonten Rechtskurs, um im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2017 auch Mitte-Wähler anzusprechen.
Hollande wird fürs Erste erleichtert sein, die widerspenstige Ministerin los zu sein. Ihre Demis- sion beraubt ihn aber einer wichtigen Rückendeckung auf der Linken. Der Präsident will deshalb laut Eingeweihten eine Regierungsumbildung vornehmen und einige subalterne Posten mit Grünen oder „Frondeuren“vom linken PS-Flügel besetzen.
Ins Justizministerium setzt Hol- lande hingegen einen „Realo“Sozialisten. Jean-Jacques Urvoas (56) gilt als farbloser, aber gestandener Sicherheitsexperte. Er ist zwar auch gegen die Aberkennung der Staatsbürgerschaft, sagt es aber nicht laut, während Taubira aus ihrem Herzen keine Mördergrube macht.