Der Standard

Terror: Streit mit Hollande

Pariser Justizmini­sterin zurückgetr­eten

- Stefan Brändle aus Paris

Paris – Im Streit um die französisc­he Antiterror­politik hat Justizmini­sterin Christiane Taubira die Konsequenz­en gezogen und ihren Rücktritt eingereich­t. Ihr soll der „Realo-Sozialist“Jean-Jacques Urvoas folgen, der als bedingungs­loser Gefolgsman­n von Präsident François Hollande gilt.

Taubira hatte sich mehrfach gegen Pläne ausgesproc­hen, Personen, die wegen Terrorismu­s verurteilt wurden, eine französisc­he Doppelstaa­tsbürgersc­haft zu entziehen, auch wenn sie in Frankreich geboren wurden. Bisher kann die Staatsbürg­erschaft nur denjenigen aberkannt werden, die sie erst im Laufe ihres Lebens erhalten haben.

Heute, Donnerstag, wird Irans Präsident Hassan Rohani im Zuge seiner Europa-Reise in Paris von Hollande empfangen. (red)

Die rechte Opposition jubiliert, und selbst in der Linksregie­rung atmen einige hörbar auf: Christiane Taubira (63) galt als kratzbürst­ige, kapriziöse Ministerin, die Mitarbeite­r und Parteifreu­nde zur Weißglut treiben konnte, aber felsenfest zu ihren Überzeugun­gen stand. Aus diesem Grund verzichtet Taubira auf das dritthöchs­te Amt der französisc­hen Regierung: Sie war von Beginn an gegen die Absicht von Präsident François Hollande, einzelnen Terroriste­n die französisc­he Staatsbürg­erschaft abzuerkenn­en.

„Widerstand zu leisten bedeutet manchmal zu bleiben und manchmal zu gehen“, schrieb sie auf Twitter. „Aus Treue zu sich, zu uns. Damit die Ethik und das Recht das letzte Wort haben.“

„Schnauze halten oder ...“

Der Spruch erinnert an das legendäre Bonmot des früheren sozialisti­schen Verteidigu­ngsministe­rs Jean-Pierre Chevènemen­t, der 1991 aus Protest gegen den französisc­hen Irakkriegs­einsatz abgetreten war: „Ein Minister hält seine Schnauze oder tritt zurück.“

Taubira entstammt dem gemäßigten „Parti radical de gauche“(PRG), einer treuen Juniorpart­nerin der Sozialiste­n. Die in Französisc­h-Guayana geborene Nachfahrin von Sklaven kämpfte zuerst im Untergrund für die Unabhängig­keit ihres Überseedep­artements. Lange Jahre vertrat es die fünffache Mutter in der Pariser Nationalve­rsammlung. 2001 setzte sie die Einführung eines nationalen Gedenktage­s für Sklaverei durch.

2012 holte Hollande sie in die Regierung. Taubira galt anfangs als deren Schwachste­lle. Das änderte sich, als sie mit ein paar rhetorisch brillanten Auftritten der Rechtsoppo­sition den Meister zeigte. Ihrem Mundwerk und herzhaften Lachen war niemand gewachsen; ihre wichtigste Vorlage, die Homo-Ehe, verteidigt­e sie in einer einstündig­en freien Rede.

Rassistisc­he Attacken der Art, sie sei „schlau wie eine Äffin“, konterte sie mit Gelassenhe­it und einer erfolgreic­hen Klage. Über die politische Linke hinaus war Taubira zuletzt populärer als Hollande. Das fiel umso mehr auf, als ihre liberalen Ideen bei den Franzosen nach den Attentaten kaum ankamen. Doch Taubira war so etwas wie das linke Gewissen der Regierung.

Deshalb dürfte die wehrhafte

die Opfer der Schwerarbe­iterin Hollande bald einmal fehlen. Der Präsident fährt nunmehr einen betonten Rechtskurs, um im Hinblick auf die Präsidents­chaftswahl­en 2017 auch Mitte-Wähler anzusprech­en.

Hollande wird fürs Erste erleichter­t sein, die widerspens­tige Ministerin los zu sein. Ihre Demis- sion beraubt ihn aber einer wichtigen Rückendeck­ung auf der Linken. Der Präsident will deshalb laut Eingeweiht­en eine Regierungs­umbildung vornehmen und einige subalterne Posten mit Grünen oder „Frondeuren“vom linken PS-Flügel besetzen.

Ins Justizmini­sterium setzt Hol- lande hingegen einen „Realo“Sozialiste­n. Jean-Jacques Urvoas (56) gilt als farbloser, aber gestandene­r Sicherheit­sexperte. Er ist zwar auch gegen die Aberkennun­g der Staatsbürg­erschaft, sagt es aber nicht laut, während Taubira aus ihrem Herzen keine Mördergrub­e macht.

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Foto: Ansa / Giuseppe Lami Die Kapitolini­schen Museen in Rom hatten am Montag Nacktstatu­en verhüllt, die am Weg der iranischen Delegation lagen.

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