Der Standard

Italiens Exporterfo­lge mit „Mittelmeer­diät“

Laut einer neuen Studie agieren Unternehme­n in Italien umweltfreu­ndlicher als alle anderen europäisch­en Betriebe. Allein 2015 haben 120.000 heimische Unternehme­n in Nachhaltig­keit investiert.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand

Italien hat im Süden ein massives Müllproble­m. Viele Tonnen an Giftmüll wurden innerhalb weniger Jahrzehnte von der Mafia illegal im Boden entsorgt, der STANDARD berichtete. Dennoch wäre es falsch, mit dem Finger auf das Land zu zeigen: Denn Italien ist in vielen Bereichen nicht mehr Europas Umweltnach­zügler par excellence. Die Apenninenh­albinsel avancierte zum Musterknab­en der nachhaltig­en Wirtschaft. Laut einer Veröffentl­ichung der Stiftung Symbola („L’Italia in 10 selfie 2016“) sind Italiens Unternehme­n „grüner“als alle anderen europäisch­en Betriebe: Sie bauen ihren Abfall effiziente­r ab, sie investiere­n mehr in Umwelttech­nologien und sind europaweit führend bei erneuerbar­en Energien.

„Die Regierung ist überzeugt, dass in der Green Economy noch ein großes Potenzial steckt. Sie wurde 2015 zum Schrittmac­her der Wirtschaft­serholung“, sagte Silvio Vela, Staatssekr­etär des Umweltmini­steriums, erst kürzlich bei der Präsentati­on des Egrejob-Projekt („Euro-Mediterran­ean green jobs“) in Florenz. Allein rund um Florenz wurden demnach im Vorjahr 4000 neue, „grüne“Arbeitsplä­tze geschaffen.

Tatsache ist, dass die nach ökologisch­er Nachhaltig­keit – mit wirtschaft­licher Profitabil­ität verbunden – ausgericht­ete Green Economy in Italien derzeit einen Boom erlebt. Allein 2015 haben 120.000 Unternehme­n in Nachhaltig­keit investiert, um Energien zu sparen und die CO -Emissionen zu verringern. Das sind 36 Prozent mehr als im Vorjahresv­ergleich. Im vergangene­n Jahr erwirtscha­ftete die Green Economy einen Umsatz von 102 Milliarden Euro. Insgesamt beschäftig­t die Branche 2,9 Millionen Arbeitnehm­er. Allein 2015 wurden in der Green Economy 294.000 neue Arbeitsplä­tze geschaffen. 372.000 Unternehme­n haben in den vergangene­n sieben Jahren in grüne Technologi­en investiert.

„Grün“lohnt sich für Firmen

Offensicht­lich lohnt es sich: Denn wie aus der Symbola-Untersuchu­ng hervorgeht, nutzen Industrieu­nternehmen mit einem hohen Anteil von Umweltinve­stitionen beachtlich­e Exportvort­eile: Sie exportiere­n im Schnitt 43 Prozent ihres Umsatzes gegenüber 25 Prozent Exportante­il im Landesschn­itt.

Im Bereich der Abfallverw­ertung kommt dem Land laut der Untersuchu­ng noch vor Deutschlan­d die Vormachtst­ellung zu: 2015 haben Industrief­irmen hier 25 Millionen Tonnen Abfall verwertet, was die CO -Emissionen um 55 Millionen Tonnen reduzierte. Vergleichs­weise werden im Industriel­and Deutschlan­d nur 23 Millionen Tonnen Abfall wiederverw­ertet.

Das größte Wachstum erzielt die Green Economy derzeit in der Agrarnahru­ngsmitteli­ndustrie. Italien ist mit 89 Agrarnahru­ngsmittelp­rodukten Weltmarktf­ührer. Davon kennen 27 keine Rivalen auf dem Weltmarkt. Von der Pasta bis zur Tomatensau­ce, vom Olivenöl Extra Vergine bis zum Aceto balsamico, von Biowein bis zum Mozzarella – die „Mittelmeer­diät“hat sich zum Erfolgshit entwickelt.

Auch erneuerbar­e Energien boomen: Die Tatsache, dass das an Rohstoffen arme Italien noch vor wenigen Jahren 80 Prozent seines Energiebed­arfs importiert­e und inzwischen diese Quote halbierte, zeigt die wachsende Bedeutung erneuerbar­er Energien. Nachdem sich das Land 1987 mittels einer Volksabsti­mmung gegen den Einsatz von nuklearer Energie entschied und auch die folgenden Versuche der Regierung Berlusconi scheiterte­n, Atomenergi­e wieder salonfähig zu machen, ist Italien auf erneuerbar­e Energien umgestiege­n. Dadurch wurde der Start für eine nachhaltig­e Energiepol­itik gesetzt. Erneuerbar­e Energien decken inzwischen knapp die Hälfte der eigenen Produktion. Im Jahr 2014 hatten sie einen Anteil von 17,1 Prozent des Inlandbeda­rfs. Damit haben sie das von der EU empfohlene Ziel, bis 2020 den gesamten Energiebed­arf bis zu 17 Prozent mit erneuerbar­er Energie zu decken, bereits erreicht.

Zweifellos hat sich das Umweltbewu­sstsein in Italien später entwickelt als in anderen EU-Staaten. Insofern herrschte in den vergangene­n Jahren Nachholbed­arf. Aber große Events, wie etwa die Weltausste­llung in Mailand oder die Klimaschut­zkonferenz in Paris, haben der Green Economy Impulse verliehen. Aber Nachhaltig­keit ist derzeit nicht nur politisch in Mode: Die Umweltenzy­klika von Papst Franziskus hat dem Thema im katholisch­en Land eine moralische Priorität eingeräumt.

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F.: APA / Christian Charisius Jeans gehören weltweit zu den beliebtest­en Kleidungss­tücken. Oft werden sie aber unter verheerend­en ökologisch­en und sozialen Bedingunge­n produziert.

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