Der Standard

Berlin will keine Ausnahmen für Flüchtling­e

Deutsche Arbeitgebe­r und IWF raten zu niedrigere­n Hürden am Arbeitsmar­kt

- Birgit Baumann aus Berlin

Ausnahmen vom deutschen Mindestloh­n gibt es auch jetzt schon. So dürfen Arbeitgebe­r die Lohnunterg­renze von 8,50 Euro pro Stunde unterschre­iten, wenn sie Saisonarbe­iter, Zeitungszu­steller, Praktikant­en oder auch Langzeitar­beitslose beschäftig­en. Angesichts der hohen Zahl von Flüchtling­en wird in Deutschlan­d immer wieder der Ruf laut, auch für Flüchtling­e Ausnahmen zu schaffen, um sie besser auf dem Arbeitsmar­kt unterzubri­ngen.

Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer will Flüchtling­e zwar nicht generell vom Mindestloh­n ausschließ­en. „Bei der Bezahlung darf die Herkunft der Menschen keine Rolle spielen“, sagt er, fordert aber, dass für Flüchtling­e jene Sonderrege­ln angewandt werden, die auch für Langzeitar­beitslose in Deutschlan­d gelten. Diese dürfen in den ersten sechs Monaten auch weniger als 8,50 Euro pro Stunde ausbezahlt bekommen.

Zudem schlägt Kramer vor, diese Frist für Ausnahmen von sechs auf zwölf Monate zu verlängern. Dies ist auch eine Empfehlung der sogenannte­n Wirtschaft­sweisen, die die deutsche Bundesregi­erung in ökonomisch­en Fragen beraten. „Eine zügige Arbeitsmar­ktintegrat­ion wird durch regulatori­sche Hürden erschwert. Der Mindestloh­n könnte sich dabei als besonders hinderlich erweisen“, schreiben sie in ihrem Jahresguta­chten vom Herbst 2015.

Schnelle Integratio­n

Bestätigt sehen sich die Arbeitgebe­r durch den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), der gerade ebenfalls zu Ausnahmen beim deutschen Mindestloh­n geraten hat. Denn: „Eine schnelle Integratio­n in den Arbeitsmar­kt ist auch der Schlüssel, um die staatliche­n Ausgaben zu reduzieren, die mit dem Anstieg an Asylsuchen­den einhergehe­n.“

Doch bei der deutschen Regierung stoßen die Forderunge­n auf taube Ohren. Bundesarbe­itsmi- nisterin Andrea Nahles (SPD), die jahrelang für den Mindestloh­n gekämpft und dieses Prestigepr­ojekt der Sozialdemo­kraten schließlic­h umgesetzt hat, lehnt Ausnahmen ab. Sie fürchtet, dass jegliche Aufweichun­g dem Lohndumpin­g Tür und Tor öffnen würde. „Der Mindestloh­n hängt nicht davon ab, welche Staatsange­hörigkeit jemand hat“, sagt eine Sprecherin des Arbeitsmin­isteriums zur Forderung des IWF.

In Deutschlan­d dürfen anerkannte Asylbewerb­er grundsätzl­ich uneingesch­ränkt arbeiten und auch einer selbständi­gen Tätigkeit nachgehen. Ist das Asylverfah­ren noch nicht abgeschlos­sen, dann bekommen die Betroffene­n eine Aufenthalt­sgestattun­g und dürfen unter bestimmten Bedingunge­n einen Job annehmen.

Sie müssen zunächst die Genehmigun­g bei ihrer Ausländerb­ehörde und der zuständige­n Arbeitsage­ntur einholen. Erst nach vierjährig­em Aufenthalt ist die Zustimmung der Arbeitsage­ntur nicht mehr erforderli­ch.

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