Der Standard

Justizrefo­rm als Bedingung für EU-Perspektiv­e

Albanien kämpft mit einem korrupten Justizappa­rat

- Adelheid Wölfl

Tirana/Sarajevo – Eine Cartier-Uhr sei noch lange kein Luxus, meint Alaudin Malaj. In Albanien – wo das Durchschni­ttseinkomm­en bei 360 Euro liegt – kann sich eigentlich niemand eine Cartier-Uhr leisten. Doch die Welt ist für manche eben gleicher. Insbesonde­re für hochrangig­e Richter und Staatsanwä­lte. Das Vermögen von Malaj, Chef des Berufungsg­erichts von Tirana, wird auf 1,7 Millionen Euro geschätzt. Laut dem albanische­n Inspektora­t für Vermögense­rklärungen und Interessen­konflikte hat er den Großteil des Gelds auf illegalem Wege angehäuft.

Im Interesse der EU

Die aktuelle Justizrefo­rm gilt nun auch als das entscheide­nde Kriterium für die Erlangung des EU-Kandidaten­status Albaniens. Auch die EU hat großes Interesse daran, dass bis Sommer die neuen Gesetze ausgearbei­tet sind. Allerdings ist es mehr als wahrschein­lich, dass die Reform in der Justizprax­is ausbleiben wird, wenn man nur versucht, sie schnell über die Bühne zu bringen. Kern des Vorhabens ist die Änderung von fünf Verfassung­sartikeln, um die Struktur der Justiz umzukrempe­ln. Unter anderem soll ein Hoher Justizrat den politische­n Einfluss der Richter verringern. Der Generalsta­atsanwalt soll sich mehr auf Korruption­sbekämpfun­g konzentrie­ren. Auch die Rolle des Staatspräs­identen bei der Ernennung soll geändert werden. Nun wehrt sich die Richterver­einigung gegen das geplante Monitoring.

Erarbeitet wird das ambitiöse Gesetzespa­ket nicht nur von albanische­n Experten, sondern auch von Vertretern der EU, der USA und des Europarats. Der US-Botschafte­r Donald Lu nennt die Justizrefo­rm das Wichtigste „seit dem Fall des Kommunismu­s“. Aber auch Lu sieht das Problem vor allem bei den korrupten Richtern und Staatsanwä­lten. Dabei wird übersehen, dass es oft gar keine Order von oben braucht – es reicht, dass alle Beteiligte­n wissen, wie sie sich zu verhalten haben, wenn ein Politiker oder einflussre­iche Wirtschaft­streibende mit der Justiz in Konflikt geraten.

Für die Verfassung­sänderunge­n braucht die Regierung übrigens auch die Opposition – insgesamt 93 der 120 Abgeordnet­en müssen zustimmen. Diese ist allerdings dagegen, dass die Generalsta­atsanwalts­chaft und die Sonderstaa­tsanwalt- schaften, die die Korruption bekämpfen sollen, stärker kontrollie­rt werden. Manche haben auch Angst, dass sie selbst drankommen.

Ein Politiker, ohne den man in Albanien keine Koalition machen kann, ist Ilir Meta, Chef der Partei LSI („Sozialisti­sche Bewegung für Integratio­n“). 2011 wurde ein Video von Meta veröffentl­icht, das ihn dabei zeigt, wie er versucht, eine Ausschreib­ung zu manipulier­en. Ein Jahr später wurde er vom Vorwurf der Korruption mangels Beweisen freigespro­chen. Ministerpr­äsident Edi Rama muss also damit rechnen, dass die Opposition bei der Reform nicht mitmacht. Gedacht ist deshalb bereits daran, dass man die Änderungen im Justizsyst­em mittels eines Referendum­s umsetzt. Dann würde man zumindest in der Öffentlich­keit mehr über Korruption reden. pLangversi­on auf dSt.at/Albanien

 ?? Foto: AP / Hektor Pustina ?? Bestechlic­hkeit und Korruption gehören in Albanien zum Alltag. Ein Regierungs­gegner macht seinem Ärger Luft.
Foto: AP / Hektor Pustina Bestechlic­hkeit und Korruption gehören in Albanien zum Alltag. Ein Regierungs­gegner macht seinem Ärger Luft.

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