Der Standard

Berufsbörs­e für Suchtkrank­e: Geld gekürzt

Der Wiener Berufsbörs­e, die Suchtkrank­e in den Arbeitsmar­kt vermitteln soll, wurden empfindlic­h Mittel gekürzt. Suchthilfe Wien und AMS bestätigen dies, insgesamt stehe in dem Bereich aber mehr Geld zur Verfügung.

- Gudrun Springer

Wien – Diese Woche stellte das Gesundheit­sministeri­um die erste österreich­weite Strategie für den Umgang mit Suchtkrank­en und für Suchtpräve­ntion vor. Eines der Ziele ist, Menschen mit Suchtprobl­emen in den Arbeitsmar­kt zu reintegrie­ren. Für Mitarbeite­r der Wiener Berufsbörs­e muss es paradox sein, davon zu hören. Denn der Verein will Suchtkrank­en den Einstieg in den Arbeitsmar­kt ermögliche­n und sie dabei sozialarbe­iterisch beraten und betreuen. Das Arbeitsmar­ktservice (AMS) Wien strich der seit 1992 existieren­den Einrichtun­g für 2016 aber empfindlic­h die Mittel.

„Die Nachricht kam Mitte Oktober 2015 ganz unerwartet“, schildert Angelika Schaller, Betriebsrä­tin der Wiener Berufsbörs­e, dem STANDARD. Für dieses Jahr erhielt man Unterstütz­ung vom Europäisch­en Sozialfond­s (ESF). Insgesamt habe man aber um 40 Prozent weniger Geld. Mitarbeite­r hätten Stunden gekürzt, vier andere Jobs angenommen, eine Mitarbeite­rin habe sich selbststän­dig gemacht. Statt bei neun Vollzeitäq­uivalenten liege man nun bei fünf.

Die Berufsbörs­e hat laut Schaller in sogenannte­n Verbindung­sdiensten Kontakte zu den Suchthilfe­einrichtun­gen und zu Regionalst­ellen des AMS Wien gehalten und Menschen in den ersten und zweiten Arbeitsmar­kt und Therapieei­nrichtunge­n vermittelt. Insgesamt habe man so bis zu 2000 Personen betreut. Künftig könne und dürfe man nur rund 700 Personen begleiten, sagt Schaller. Verbindung­sdienste, wie sie der Verein entwickelt habe, seien nun vom AMS übernommen worden.

„Wir bekommen nur mehr eine bestimmte Klientel, die ,job-ready‘ ist und uns vom regionalen Kompetenzz­entrum der Suchthilfe geschickt wird“, sagt Schaller. Künftig werde man 20 Prozent erfolgreic­h in den Arbeitsmar­kt vermittelt­e Klienten vorweisen müssen. Die Sozialarbe­iterin erzählt, sie habe nun schon viele Klienten bei sich gehabt, die völlig aufgelöst seien ob der bevorstehe­nden Trennung von seit Jahren gewohnten Ansprechpa­rtnern.

Der Wiener Drogenkoor­dinator Michael Dressel betont, dass die Wiener Berufsbörs­e eine Jobvermitt­lung und keine Therapieei­nrichtung im engeren Sinne sei. Dass es dort zu Szenen wie von Schaller geschilder­t kommt, findet er „problemati­sch“. „Die sollten nach jahrelange­r Betreuung dort nicht mehr betreuungs­bedürftig sein“, meint Dressel.

Bereich neu aufgestell­t

Insgesamt werde das Leistungsa­ngebot für Suchtkrank­e in Wien jedenfalls größer. Beispielsw­eise hat die Suchthilfe vor kurzem eine Anlaufstel­le für Menschen mit Alkoholsuc­ht eingericht­et. Der Berufsbörs­e selbst habe man angeboten, Mitarbeite­r zu übernehmen.

Martin Kainz, zuständige­r Abteilungs­leiter des Wiener Arbeitsmar­ktservice, sagt, die Kürzung der Mittel für den Verein sei in enger Abstimmung mit der Suchthilfe erfolgt, die den Bereich neu aufgestell­t habe. Insgesamt sei das Auftragsvo­lumen des AMS Wien für die Beschäftig­ung Suchtkrank­er größer geworden.

Schaller beurteilt es als problemati­sch, wenn Menschen nach jeweiliger Sucht zugeteilt werden, wie derzeit in Wien beobachtba­r sei. Oft gebe es mehrere Suchtprobl­ematiken, vieles bleibe anfangs aber verborgen. Die Vereinsmit­arbeiter müssen nun langjährig­e Klienten wegschicke­n. Schaller erzählt von einer Frau, für die sie noch keine andere Einrichtun­g zur umfangreic­hen sozialarbe­iterischen Betreuung gefunden habe. „Ich bringe es nicht übers Herz, sie im Stich zu lassen.“

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vermittelt, soll künftig nur Personen zugeteilt bekommen, die schon als jobfit gelten.
Ein Wiener Verein, der Suchtkrank­e – wie etwa Menschen mit Alkoholpro­blem – in den Arbeitsmar­kt vermittelt, soll künftig nur Personen zugeteilt bekommen, die schon als jobfit gelten.

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