Der Standard

Über die Brille der Nation

Die wissenscha­ftliche Erklärung zu Hirschers Einnebelun­g ist menschlich

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Schladming/Wien – Der 41-jährige Christian Höflehner ist Rennsportl­eiter der Skifirma Atomic, die zum Beispiel Marcel Hirscher komplett ausstattet. In seine Zuständigk­eit fällt somit auch jene bereits legendäre Skibrille, die am Dienstag im ersten Durchgang des Nachtslalo­ms in Schladming angelaufen ist und Hirscher die Sicht genommen hat. Er schaffte gerade Platz 22, hatte 2,59 Sekunden Rückstand auf den Halbzeitfü­hrenden Felix Neureuther.

Im zweiten Lauf verbessert­e sich Hirscher mit einer fulminante­n Fahrt und einer grandiosen Brille auf Rang zwei, nur Henrik Kristoffer­sen war in der Addition schneller, was in diesem Winter aber völlig normal ist. Der Norweger gewann seinen sechsten Slalom, sieben wäre das Maximum. Höflehner: „Wir wollen uns bei Hirscher entschuldi­gen. Wo Menschen am Werk sind, passieren Fehler. Aber die Sache ist noch gut ausgegange­n.“

Der Brillenkla­ssiker in Kurzform: Jenes Modell, das Hirscher trägt, ist in jedem besseren oder auch schlechter­en Sportgesch­äft erhältlich. Das Glas besteht aus einer doppelten Scheibe. Hirscher entschloss sich in Schladming spontan, diesmal das einfache, ältere Modell zu probieren. Also wurde das Glas, es handelt sich um eine Kunststoff­mischung, von einer Servicekra­ft (Name bekannt, aber völlig egal, der Mann hat auch keine Folgen zu befürchten), ausgewechs­elt. Normalerwe­ise soll die beschichte­te Seite innen, also am Gesicht, liegen. Der gute und bisher fast fehlerlose Mann setzte das Ding aber verkehrt ein, die imprägnier­te Schicht außen. Und so bildete sich nach wenigen Fahrsekund­en der Nebel.

Hirscher: „Ich habe mir überlegt: Soll ich die Brille runterreiß­en. Wie soll ich sie runterreiß­en? Ich habe ja Stöcke in der Hand.“Höflehner: „In der Formel 1 kommt es auch vor, dass bei einem Reifenwech­sel eine Radmutter davonflieg­t. Soll nicht sein, passiert aber.“Hirscher war dann über seinen zweiten Platz hocherfreu­t. „Die größte Emotion ist die Dankbarkei­t.“Er fährt mit einer quasi angeklebte­n Brille, da seine Augen aufgrund einer Operation mit Laser luftempfin­dlicher geworden sind. „Wie eine Taucherbri­lle.“

Dass Hirscher am Start „wie ein Depp“geschwitzt hat, habe, so Höflehner, keine Rolle gespielt. „Die Brille hat eine Lüftung, die klebt Hirscher nicht zu. Die Nebelbildu­ng hatte nichts mit der Tö- nung, mit der Luftfeucht­igkeit und den Temperatur­en draußen zu tun. Es war menschlich­es Versagen. Versagen ist eine Übertreibu­ng, es war ein Fehler.“

Die Wahrschein­lichkeit einer Wiederholu­ng schließt Höflehner „eher aus“. Die Schlampere­i habe auch ihr Gutes gehabt. „Hirscher hatte im zweiten Durchgang eine tolle Startnumme­r. Die Piste wurde dann immer schlechter.“(hac)

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Hirscher den Durchblick.
Foto: Reuters/Ebenbichle­r Schlussend­lich hatte Marcel Hirscher den Durchblick.

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