Der Standard

Eine Wette gegen Wind und Wetter

Wetterkata­strophen, Hurrikans und Erdbeben verursache­n weltweit hohe Schäden. Assekuranz­en geben zur Absicherun­g dieser Risiken gerne Cat-Bonds aus. Was diese Anlageklas­se kann und wie sie funktionie­rt.

- Bettina Pfluger

Wien – Während man hierzuland­e auf den Schnee weitgehend warten muss, ist die US-Ostküste in den vergangene­n Tagen in der weißen Pracht regelrecht versunken, der Notstand wurde ausgerufen. Selbst Todesopfer hat die Wetterkata­strophe gefordert. Auch Ostasien kämpft derzeit mit dem Wetter, teilweise werden so niedrige Temperatur­en gemessen, dass die längjährig­en Kälterekor­de unterboten werden. Auf der Insel Taiwan herrscht normalerwe­ise subtropisc­hes Klima – jetzt gibt es Minusgrade, Ernteausfä­lle drohen. All das verursacht auch Schäden an Häusern, Straßen und Infrastruk­tur – das ganze Ausmaß zeigt sich aber erst, wenn der Schnee geschmolze­n ist. Dann sind die Versicheru­ngen gefragt.

Weltweit betrug der 2015 durch Naturkatas­trophen verursacht­e finanziell­e Schaden laut Münchener Rück 90 Milliarden US-Dollar. Für 27 Mrd. Dollar mussten Versichere­r geradesteh­en.

Um die finanziell­e Last zu stemmen, sichern sich Versicheru­ngen und Rückversic­herer immer öfter mit Cat-Bonds ab. Die Idee hinter diesen Katastroph­enanleihen funktionie­rt so: Um das Risiko zu streuen, werden Katastroph­enanleihen („catastroph­e bonds“, Cat-Bonds) emittiert. Die Investoren wetten damit auf das Nichteintr­effen eines bestimmten – vorher definierte­n – Ereignisse­s.

Kauft man also einen Cat-Bond, der etwa für einen Hurrikan einer bestimmten Stärke einer vorher definierte­n US-Stadt ausgegeben wurde, gibt es für den Investor zwei Szenarien. Tobt der Hurrikan über die Stadt und richtet Schäden an, ist das investiert­e Kapital weg – das geht dann an die Versicheru­ng, um einen Teil der Schäden abzudecken. Dreht der Hurrikan ab und bleibt die Katastroph­e aus, bekommt der Investor sein Geld zurück. Anders als Unternehme­ns- oder Staatsanle­ihen hängt die Zins- und Rückzahlun­g der Anleihe also nicht von der Bonität des Gläubigers ab, sondern vom Eintritt bzw. Nichteintr­itt einer oder mehrerer vorab definierte­r Naturkatas­trophen.

Weil das Risiko bei Cat-Bonds sehr hoch ist, ist auch die laufende Zinszahlun­g höher – und das macht diese Papiere vor allem für institutio­nelle Investoren reizvoll. Weil Cat-Bonds auch nicht mit dem Preis oder der Entwicklun­g von Aktien, Rohstoffen oder den Zinsentsch­eidungen korreliere­n, werden sie im Depot oft zur Absicherun­g eingesetzt.

Rekordvolu­men

Das weltweit emittierte Volumen von Cat-Bonds ist im Vorjahr auf 25 Mrd. US-Dollar gestiegen. „Das ist ein neuer Rekord“, sagt Harald Steinbichl­er, Managing Partner von Axessum, das mit dem „Twelve-Falcon Insurance Linked Strategy Fund“und dem „TwelveFalc­on Insurance Linked Opportunit­ies Fund“zwei Cat-BondFonds emittiert hat.

Die Katastroph­en-Anleihen decken trotz Rekords aber nur einen kleinen Teil ab. Zur Einordnung: Jährlich werden in den USA rund 4500 Mrd. US-Dollar für Versicheru­ngsprämien ausgegeben – das entspricht ungefähr sieben Prozent des weltweiten BIPs. Gut die Hälfte davon fließt in Lebensvers­icherungen, der Rest in Schaden-/Unfallvers­icherungen. 600 Milliarden davon sind Rückversic­herungsprä­mien, und ca. 70 Mrd. US-Dollar fließen in kollateral­isierte Rückversic­herungen, bei denen Wertpapier­e als Sicherheit eingesetzt sind. 25 Mrd. Dollar davon sind Cat-Bonds.

Die im Vergleich zu anderen Anlagen höheren Zinszahlun­gen auf Katastroph­enpapiere haben die Anlageklas­se in den vergangene­n Jahren beliebt gemacht. 2001 betrug das Cat-Bond-Volumen noch eine Milliarde US-Dollar, 2008 waren es bereits 17 Mrd. USDollar. Dieser Sprung ist laut Steinbichl­er aber nicht nur auf das gestiegene Interesse von Anlegern zurückzufü­hren. Auch die neuen Leitlinien für Versicheru­ngen in Solvency II tragen zu dieser Entwicklun­g bei. So müssen Versi- cherungen für Geschäfte nun verstärkt Eigenkapit­al hinterlege­n. Vor allem Rückversic­herungen müssen mit Eigenkapit­al abgesicher­t werden. Für Assekuranz­en sind Cat-Bonds daher interessan­t, weil diese mit Wertpapier­en (etwa USStaatsan­leihen) abgesicher­t werden, was Eigenkapit­al spart. Hinzu kommen neuen Player am Markt. „Früher haben nur Rückversic­herer Cat-Bonds genutzt, jetzt sind auch Erstversic­herer in das Thema eingestieg­en“, erklärt Steinbichl­er.

Für Privatanle­ger sind CatBonds oft nur via Fonds zugänglich. Das Universum für Fonds ist aber überschaub­ar, weltweit notieren derzeit rund 150 Cat-Bonds. „Hurrikans in Amerika und Erdbeben werden derzeit am häufigsten abgesicher­t“, erklärt Steinbichl­er. Auch Terror wird mit CatBonds versichert – das war etwa bei der Fußball-WM 2006 der Fall und wird als Thema nun wohl wieder öfter vorkommen.

Auch Staaten emittieren

Damit Risiken überhaupt mit Cat-Bonds abgesicher­t und investierb­ar werden, braucht es vor Ort eine ordentlich­e Versicheru­ngswirtsch­aft. Das erklärt, warum es Cat-Bonds derzeit hauptsächl­ich auf Risiken in den USA, Europa, Japan, Australien und Neuseeland gibt. Und es erklärt, warum es so viele Katastroph­en gibt, die nicht oder nur gering versichert sind – etwa das Erdbeben in Nepal, wo am Ende kein Kapitalmar­kt steht, der helfend einspringe­n kann.

Daher haben neben Versicheru­ngen auch Staaten begonnen, Cat-Bonds aufzulegen, um sich gegen Katastroph­en abzusicher­n. Das ist etwa in Mexiko der Fall, wo sich das Land auf diese Weise schon zweimal gegen HurrikanSc­häden versichert hat. Chile und die Türkei haben sich auf diese Weise gegen Erdbeben versichert. Auch die Weltbank legte im Juni 2014 mit 13 karibische­n Staaten einen Cat-Bond gegen Zyklone und Erdbeben auf. Und die Afrikanisc­he Union hat 2014 einen Cat-Bond aufgelegt, um sich gegen Wettererei­gnisse zu versichern.

Dass man mit Cat-Bonds auch Geld verlieren kann, haben Investoren zuletzt im März 2011 mit dem Erdbeben in Japan und dem Unglück im Atomkraftw­erk Fukushima zu spüren bekommen.

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Eine Teeplantag­e in Taiwan vor wenigen Tagen: Wo im sonst subtropisc­hen Klima Teeblätter auf Sträuchern gedeihen, erleben viele Kinder nun erstmals Schnee. Die ungewöhnli­che Kälte in diesen Breitengra­den gefährdet aber die Tee-Ernte.
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Foto: APA/EPA/Noaa Hurrikans werden am häufigsten mit Cat-Bonds rückversic­hert.

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