Der Standard

China macht beim Jobzuzug die Mauer

Pekings Türen sind nicht wirklich offen. Die Behörden planen Reformen und Visaerleic­hterungen ab 1. März. Denn Ausländer werden gebraucht. Aber nur für ganz bestimmte Bereiche.

- Johnny Erling aus Peking

Als die US-Handelskam­mer (Amcham) in China ihr neues Jahresguta­chten zum Geschäftsk­lima 2016 veröffentl­ichte, versteckte sie eine Nachricht weiter hinten. Immer mehr US-Unternehme­n fühlen sich in der Volksrepub­lik nicht mehr willkommen. Sie klagen ebenso wie europäisch­e Firmen über schlechter werdenden Marktzugan­g und geringere Gewinne in einer langsamer wachsenden Wirtschaft, die unter Überkapazi­täten leide. Jedes vierte US-Unternehme­n hat bereits Produktion­en in andere Länder verlagert oder ist dabei, das zu tun.

Besonders alarmieren­d ist, dass sich durchschni­ttlich 77 Prozent der knapp 500 befragten USUnterneh­men in China weniger willkommen fühlen als früher. Die Amcham-Studie zeigt, dass auch in Branchen so gedacht wird, um die Premier Li Keqiang intensiv wirbt, etwa US-Tech-Firmen und moderne Industrien. Dort fühlen sich sogar 83 Prozent weniger willkommen als zuvor. Als Gründe genannt werden Pessimismu­s wegen des regulatori­schen Drucks und Sorgen über neue Gesetzesen­twürfe, die die Unternehme­n zwingen wollen, ihre Software preiszugeb­en.

Zwei Jahre nachdem Parteichef Xi Jinping Ende 2013 verkündet hat, dass China seine Türen noch weiter öffnen wird, steckt nicht nur die Wirtschaft in einem Reformstau. Mit der vielbeschw­orenen Öffnung ist wenig Staat zu machen.

Wang Huiyao, Gründer des einflussre­ichen Zentrums für Globalisie­rung (CCG), sagte jetzt im Interview mit der Global Times: „Wir sind das Land mit einem der niedrigste­n Anteile an Ausländern auf der Welt.“Was er damit meint, wird vielen erstmals bewusst: 35 Jahre nach Beginn der Öffnungspo­litik sind in China ansässige Ausländer statistisc­h gesehen weiterhin eine Marginale. Im internatio­nalen Vergleich wird das Missverhäl­tnis besonders deutlich, fand der „Migrations­bericht 2015“heraus. China steht heute mit weniger als 800.000 registrier­ten Ausländern weltweit als Schlusslic­ht da. Bei einer Gesamtbevö­lkerung von 1,36 Milliarden beträgt sein Ausländera­nteil nur 0,06 Prozent.

Seit sich die chinesisch­e Führung die Wende hin zu einer innovative­n und kreativen Wirtschaft und Gesellscha­ft auf die Agenda gesetzt hat, muss auch in China umgedacht werden. Premier Li forderte bereits im September 2014, „nach internatio­nalen Gepflogenh­eiten Green Cards schneller und einfacher zu vergeben“. Allerdings meint Li eine gezielte und geförderte Zuwanderun­g von hochqualif­izierten ausländisc­hen Fachleuten und Startup-Gründern in Chinas Hightechun­d IT-Bereiche. Das Ministeriu­m für die öffentlich­e Sicherheit will nun ab März mit einem 20-Punkte-Pilotprogr­amm die Einreiseun­d Aufenthalt­sformalitä­ten für Ausländer erleichter­n.

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Nur in Peking, Schanghai und wenigen Großstädte­n lebt eine nennenswer­te Zahl an Ausländern.

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