Der Standard

„Großer Erfolg“: Google- Steuerdeal erntet viel Kritik

Briten sind wegen niedriger Steuerquot­e verärgert

- Sebastian Borger aus London

Eine Steuernach­zahlung des Internetgi­ganten Google bringt die britische Regierung in Bedrängnis. Nach jahrelange­r Untersuchu­ng einigte sich die Steuerbehö­rde HMRC mit der Firma auf eine Zahlung von 171 Millionen Euro, womit zehn Jahre abgegolten werden. Von Finanzmini­ster George Osborne als „großer Erfolg“gefeiert, wird der Deal von der Opposition, Experten und vielen, auch konservati­ven Medien scharf kritisiert.

Premier David Cameron mochte sich im Unterhaus am Mittwoch zwar der Einschätzu­ng seines engen Vertrauten Osborne nicht anschließe­n, verteidigt­e das Finanzmini­sterium aber entschiede­n. „Wir treiben Steuern ein, die unter Labour hätten gezahlt werden müssen.“Tatsächlic­h begann die letzte Labour-Regierung unter Gordon Brown erst 2009 damit, die Steuerarra­ngements vieler USKonzerne unter die Lupe zu nehmen. Wie schlimm es um deren Zahlungsmo­ral steht, verdeutlic­hte Osborne, indem er seine Behörde für eine Selbstvers­tändlichke­it lobte: „Wir haben Google dazu gebracht, Steuern zu bezahlen.“

Mit Verweis auf das Steuergehe­imnis hat HMRC alle Fragen nach Details des Deals abgewiesen. Google macht eigenen Angaben zufolge in Großbritan­nien einen jährlichen Umsatz von 5,26 Milliarden Euro. Je nach Berechnung bezahlt die Firma einen Steuersatz von 1,3 bis 3,5 Prozent. „Das ist eine hundsmiser­able Quote“, schimpft Prem Sikka, Professor für Rechnungsp­rüfung an der Universitä­t Essex. Nominell liegt die Körperscha­ftssteuer bei 20 Prozent; im Verrechnun­gszeitraum lag sie bei 26 Prozent.

Das Thema erzeugt auf der Insel zu diesem Zeitpunkt besonderen Ärger, weil Millionen von Freiberufl­ern bis Ende des Monats ihre eigene Steuererkl­ärung abgeben und bis zu 40 Prozent Einkommens­steuer entrichten müssen. Säumigen drohen Zinszahlun­gen und hohe Geldstrafe­n. Weder vom einen noch vom anderen ist beim Google-Deal die Rede. Findige Medien wie Financial Times und Independen­t ziehen zudem Vergleiche mit EU-Ländern wie Italien und Frankreich, wo Googles Umsatz höchstens ein Viertel der britischen Marke erreicht. Dennoch soll die Firma dort erheblich mehr Steuern bezahlen.

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