Der Standard

Einblicke in Jagdgesell­schaft

- Mia Eidlhuber

Man darf das nicht geringschä­tzen, was die Seitenblic­ke über Jahr und Tag leisten, während man selbst faul auf dem Sofa höchstens zur Fernbedien­ung greift, um sich aus dem Alltag zu schießen. Wie bequem, wenn, laut Eigendefin­ition, „die Mutter aller Gesellscha­ftsmagazin­e“pünktlich um fünf nach acht, frei Haus liefert, was sich draußen in freier Wildbahn so abspielt und sich zum Beispiel mitten in die österreich­ische Jagdgesell­schaft wirft, deren alljährlic­her Höhepunkt der Wiener Jägerball des Grünen Kreuzes ist, der ursprüngli­ch 1905 gegründet wurde, „um unschuldig in Not geratenen Jägern und deren Familien zu helfen“.

Diese „positiven Botschafte­r einer in Österreich sehr lebendigen Jagdkultur“sind, zumindest im Fernsehen, eine höchst vertraute Spezies. Sie gehören zum festen Ensemble im Sehen und Gesehenwer­den, im Jäger- und-Gejagten-Theater: Entertaine­r Alfons Haider, „zum ersten Mal auf dem Jägerball“, fragt sich: „Wo sind hier die Jäger alle?“. ORF-Wetterfee und Jägersfrau Christa Kummer befindet: „Das alte Fleisch haben wir zu Hause!“Für den Nachrichte­nmagazinhe­rausgeber Christian Rainer ist hier „der Flirtfakto­r deutlich höher als auf dem Maturaball der Ursulinen“. Und Dompfarrer Toni Faber wird gefragt, ob ein „Mann der Kirche überhaupt schießen darf“– nicht aber, ob er heute hier auf der Pirsch ist.

Die Frage aller Jägerballf­ragen bleibt dem Baumeister aller Seitenblic­ke Richard Lugner vorbehalte­n: „Nein, ich hab ja eine junge Frau“. Die wiederum ballt ihre Fäuste, die sie für Seitenhieb­e einsetzen würde, wenn dem nicht so wäre. Wie schön, dass sich das Grüne Kreuz für den Fortbestan­d einzelner Arten einsetzt: „Jäger helfen Jägern.“pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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