Der Standard

Nackte Göttinnen RAU

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Leider ist den Meldungen nicht zu entnehmen, welche der nackten antiken Marmorstat­uen im Kapitolini­schen Museum zu Rom mit Paravents verdeckt wurden, um beim Staatsempf­ang die religiösen Empfindlic­hkeiten des iranischen Präsidente­n und islamische­n Gelehrten Hassan Rohani ja nicht zu verletzen.

Infrage kämen ja die Kapitolini­sche Venus, die auch Venus pudica (schamhafte) genannt wird, weil sie ihre Blößen (unvollstän­dig) mit den Händen verdeckt. Oder die etwas mehr erotisiert­e Venus vom Esquilin. Beides Symbole der heidnische­n Göttin der Liebe.

Nicht zu vergessen die männliche Nacktheit, die die Antike so liebte – auf dem Kapitol repräsenti­ert durch den sehr rea- listischen Sterbenden Gallier. Viele Päpste waren übrigens Kunstliebh­aber und stießen sich nicht an antiker Nacktheit. Die Kapitolini­sche Venus etwa wurde 1752 von Benedikt XIV. erworben. Ein Glück nur, dass Rohani nach dem Besuch beim Papst nicht in die Vatikanisc­hen Museen geführt wurde. Dort wimmelt es vor Nackten.

Man muss die Statuenver­hüllung nicht unbedingt als Unterwerfu­ng interpreti­eren. Vielleicht wollte man dem relativ gemäßigten Rohani auch Fotos vor nackten Statuen ersparen, die von Fanatikern zu Hause gegen ihn hätten verwendet werden können. Im Westen könnte man sich am jahrtausen­delangen marmornen Gleichmut der Statuen ein Beispiel nehmen.

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