Übergriffe und Schadenersatz
Führungskräfte müssen gegenüber den Mitarbeitern Fürsorgepflichten einhalten
Es war einmal eine männliche Führungskraft, zu der eines Tages eine Mitarbeiterin kam, die sich über ihren Vorgesetzten beschwerte: Er mache ständig unpassende Bemerkungen. Sie solle sich doch „verkaufsfreudiger“anziehen, „das Auge esse doch mit.“Der Vorgesetzte bekräftige dies auch mit teils intensiven Berührungen ihres Gesäßes. Die Führungskraft war mit diesem Vorgesetzten befreundet und wollte die Sache nicht aufbauschen. Ich werde dies mit dem Kollegen besprechen, das wird aufhören, beruhigte er die Mitarbeiterin. Es fand ein kurzes Gespräch zwischen den beiden Herren ohne Aktennotiz statt. Für die Führungskraft war die Sache damit erledigt.
War sie jedoch nicht. Die einschlägigen Sprüche und Berührungen nahmen zu. Eines Tages erhob die Mitarbeiterin schließlich Schadenersatzansprüche. Diese richteten sich gegen die Führungskraft selbst. Wenig später sah sich die Führungskraft sogar mit einer Strafanzeige konfrontiert. Die Führungskraft war erbost. Es muss doch wohl reichen, wenn ich mit dem Kollegen ein ernstes Wort rede, ich habe doch nichts Unrechtes gemacht.
Die Führungskraft, die dem Arbeitgeber direkt zuzurechnen ist, hat gegenüber der Mitarbeiterin sogenannte Fürsorgepflichten. In dem Moment, in dem die Führungskraft Kenntnis von einer Diskriminierung hat, muss sie handeln. Lediglich ein klärendes Gespräch wird dieser Pflicht nicht gerecht. Konkret hätte sowohl über die Meldung der Belästigungen wie auch über das Gespräch mit dem Vorgesetzten einen Aktenvermerk erstellt und die Mitarbeiterin informiert werden müssen. Schließlich hätte nach einiger Zeit ein Abschlussgespräch mit der Mitarbeiterin stattfinden sollen, um zu klären, ob die Belästigungen aufgehört haben.
Der Schadenersatzanspruch gegenüber der untätigen Führungskraft war jedenfalls berechtigt. Damit nicht genug. Sind die physischen Belästigungen des Vorgesetzten derart intensiv, dass sie eine Straftat darstellen, macht sich die untätige Führungskraft mit2. Teil unter mitschuldig. Auch strafrechtlich
gilt: Sobald die Führungskraft von einem Übergriff erfährt, muss sie sofort für Abhilfe sorgen. Passiert das nicht oder nicht ausreichend, wird sie zum Mittäter.
Fazit: Der Arbeitgeber ist im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, ab Kenntnis der sexuellen Belästigung geeignete Abhilfe zu schaffen, sodass die Mitarbeiterin keinen weiteren Übergriffen ausgesetzt ist. Fürsorgepflichten von Vorgesetzten
JULIA KOLDA und ERWIN FUCHS sind Rechtsanwälte bei Northcote.Recht.