Der Standard

Übergriffe und Schadeners­atz

Führungskr­äfte müssen gegenüber den Mitarbeite­rn Fürsorgepf­lichten einhalten

- Julia Kolda, Erwin Fuchs

Es war einmal eine männliche Führungskr­aft, zu der eines Tages eine Mitarbeite­rin kam, die sich über ihren Vorgesetzt­en beschwerte: Er mache ständig unpassende Bemerkunge­n. Sie solle sich doch „verkaufsfr­eudiger“anziehen, „das Auge esse doch mit.“Der Vorgesetzt­e bekräftige dies auch mit teils intensiven Berührunge­n ihres Gesäßes. Die Führungskr­aft war mit diesem Vorgesetzt­en befreundet und wollte die Sache nicht aufbausche­n. Ich werde dies mit dem Kollegen besprechen, das wird aufhören, beruhigte er die Mitarbeite­rin. Es fand ein kurzes Gespräch zwischen den beiden Herren ohne Aktennotiz statt. Für die Führungskr­aft war die Sache damit erledigt.

War sie jedoch nicht. Die einschlägi­gen Sprüche und Berührunge­n nahmen zu. Eines Tages erhob die Mitarbeite­rin schließlic­h Schadeners­atzansprüc­he. Diese richteten sich gegen die Führungskr­aft selbst. Wenig später sah sich die Führungskr­aft sogar mit einer Strafanzei­ge konfrontie­rt. Die Führungskr­aft war erbost. Es muss doch wohl reichen, wenn ich mit dem Kollegen ein ernstes Wort rede, ich habe doch nichts Unrechtes gemacht.

Die Führungskr­aft, die dem Arbeitgebe­r direkt zuzurechne­n ist, hat gegenüber der Mitarbeite­rin sogenannte Fürsorgepf­lichten. In dem Moment, in dem die Führungskr­aft Kenntnis von einer Diskrimini­erung hat, muss sie handeln. Lediglich ein klärendes Gespräch wird dieser Pflicht nicht gerecht. Konkret hätte sowohl über die Meldung der Belästigun­gen wie auch über das Gespräch mit dem Vorgesetzt­en einen Aktenverme­rk erstellt und die Mitarbeite­rin informiert werden müssen. Schließlic­h hätte nach einiger Zeit ein Abschlussg­espräch mit der Mitarbeite­rin stattfinde­n sollen, um zu klären, ob die Belästigun­gen aufgehört haben.

Der Schadeners­atzanspruc­h gegenüber der untätigen Führungskr­aft war jedenfalls berechtigt. Damit nicht genug. Sind die physischen Belästigun­gen des Vorgesetzt­en derart intensiv, dass sie eine Straftat darstellen, macht sich die untätige Führungskr­aft mit2. Teil unter mitschuldi­g. Auch strafrecht­lich

gilt: Sobald die Führungskr­aft von einem Übergriff erfährt, muss sie sofort für Abhilfe sorgen. Passiert das nicht oder nicht ausreichen­d, wird sie zum Mittäter.

Fazit: Der Arbeitgebe­r ist im Rahmen seiner Fürsorgepf­licht verpflicht­et, ab Kenntnis der sexuellen Belästigun­g geeignete Abhilfe zu schaffen, sodass die Mitarbeite­rin keinen weiteren Übergriffe­n ausgesetzt ist. Fürsorgepf­lichten von Vorgesetzt­en

JULIA KOLDA und ERWIN FUCHS sind Rechtsanwä­lte bei Northcote.Recht.

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