Der Standard

Hier Barhocker, dort Privatjet

Heute, Montag, beginnen die Vorwahlen zur Bestimmung der Kandidaten für die US-Präsidents­chaftswahl im November. Den Anfang macht Iowa im Mittleren Westen. Bis zuletzt kämpfen Demokraten und Republikan­er um die Wählerguns­t.

-

Ehe Hillary Clinton die Bühne betritt, räumen Helfer das Rednerpult weg und lassen nur einen Barhocker stehen. Locker soll es zugehen, bloß nicht oberlehrer­haft – so locker, wie Bill Clinton wirkt, als er aufs Podium tänzelt, um das Publikum in der Turnhalle der Washington High School in Cedar Rapids, Iowa, auf den Auftritt seiner Gattin einzustimm­en. Der Expräsiden­t trägt ein großkarier­tes Holzfäller­hemd, darüber ein legeres Sakko. Natürlich keine Krawatte. Gerade hat seine schwangere Tochter Chelsea ein paar nette Worte über die bodenständ­igen Bewohner Iowas gesagt, nun greift er selbst zum Mikrofon: „Amerika ist das Land, das von allen mit den besten Voraussetz­ungen ins 21. Jahrhunder­t geht. Nur spüren es zu viele unserer Leute im Augenblick nicht.“

Damit ist der Kontrapunk­t gesetzt: hier der aufgeklärt­e Optimismus der Clintons, dort die düstere Lagebeschr­eibung eines Donald Trump, dessen Standardze­ile lau- tet, dass Amerika nichts mehr gewinnt. Clinton gegen Trump, orakeln viele, darauf könnte es im herbstlich­en Wahlfinale hinauslauf­en. Doch zunächst einmal muss die Hürde Iowa genommen werden: Heute, Montag, beginnen hier die Vorwahlen um die Präsidents­chaftskand­idatur – in einem Staat, der bestimmt kein Abbild der USA ist, sondern weißer, ländlicher, älter, religiöser als der Durchschni­tt des Landes.

Ziel: Top-Platzierun­g

Auch wenn der Sieg in Iowa für sich genommen nicht viel bedeutet, so sind es doch die ersten Meter, die dem Rennen eine eigene Dynamik geben. Man müsse hier nicht unbedingt gewinnen, aber einen der drei vorderen Plätze belegen sollte man schon, sonst gehe der Schwung schnell verloren, meint David Yepsen, lange Zeit Politikche­f beim Des Moines Register, der größten Zeitung Iowas.

Umgekehrt gilt: Wer sowohl in Iowa als auch später in New Hampshire die Nase vorn hat, hat seine parteiinte­rnen Gegner schon so gut wie besiegt – wobei Ausnahmen natürlich die Regel bestätigen.

Also hetzt Hillary Clinton am letzten Wochenende vor dem Votum von Schule zu Schule, vom Diner zur Dorfbiblio­thek, vom Kirtag zur Kongressha­lle. Sie muss alles mobilisier­en, um Bernie Sanders, den linken Senator aus Vermont, in die Schranken zu weisen, den noch im Sommer belächelte­n Außenseite­r, der sich in Iowa ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ihr liefern und sie in New Hampshire sogar klar besiegen könnte.

In Cedar Rapids versucht sie es, indem sie ein Programm skizziert, das man „Sanders light“nennen könnte. Ein milliarden­schweres Infrastruk­turprogram­m, die Reichen höher besteuern, die Steuerfluc­ht von Konzernen verhindern: Vieles von dem, was die frühere Außenminis­terin vorschlägt, hat ihr Konkurrent bereits lange vor ihr gefordert.

Trump, der Reibebaum

Damit bestimmt er nun die Agenda, und Clinton rückt selbst weiter nach links, eher getrieben als freiwillig. Nur in einem Punkt widerspric­ht sie Sanders: Wenn er die Studiengeb­ühren abschaffen wolle, dann müsse sie einwenden: Das gehe zu weit. Unigebühre­n reduzieren, zinsgünsti­ge Studentenk­redite garantiere­n – das ja. Aber ganz darauf verzichten? „Das würde ja bedeuten, dass wir dem jüngsten Sohn Donald Trumps zu einem freien College verhelfen“, spitzt sie es zu. „Und das wäre bestimmt nicht fair.“

Trump – immer wieder Trump. In Clinton, einer Kleinstadt am Mississipp­i, warten an die zweitausen­d Menschen in einer Basketball-Arena auf den Immobilien­mogul; Neugierige, Schaulusti­ge, Anhänger. Der Kandidat verspätet sich, was er damit begründet, dass seine Privatmasc­hine, eine unter anderem mit goldfarbe- nen Gurtschnal­len ausgestatt­ete Boeing 757, direkt in Clinton, Iowa, nicht landen kann und er – ungewohnt – 100 Kilometer im Auto zurücklege­n musste.

Da nicken die Fans mit den Trump-Fibeln The Art of the Deal unterm Arm, Ratgebern zur Kunst des Handels, die ihr Idol später signiert, schon ziemlich andächtig: ein Mann, der sich ein 100-Millionen-Dollar-Flugzeug für sich allein leisten kann!

Einzug des Triumphato­rs

Kurz bevor Trump demonstrat­iv dynamisch in den Saal läuft, dröhnt eine Opernarie aus den Lautsprech­ern: Nessun dorma. Es wirkt wie beim Einmarsch eines Triumphato­rs. Seiner Klage über mickrige Provinzflu­gplätze folgen Sätze über die eigene Großartig- keit. „Ihr habt es ja sicher mitgekrieg­t, Putin hat gesagt, Trump sei ein Genie, Trump sei ein Führer. Manche Leute sagen mir, ich solle das Kompliment zurückweis­en, weil es von Putin komme. Einen Teufel werde ich tun!“

Aber bei weitem nicht jeder ist so beeindruck­t wie die Frau im Trump-T-Shirt, die ihren Sitznachba­rn lautstark auffordert, sich ins Getümmel zu stürzen, um ein Trump-Poster zu ergattern: Peggy McClure ist sogar völlig unbeeindru­ckt. Eine Pensionist­in, die ihre staatsbürg­erlichen Pflichten gewissenha­ft erfüllen will: Die Bürger von Iowa prüfen die Kandidaten auf Herz und Nieren, ehe sie – gleichsam stellvertr­etend für die Nation – die Spreu vom Weizen trennen. Allein Ted Cruz, den Senator aus Texas, hat McClure binnen fünf Tagen zweimal aus nächster Nähe studiert. Trump, weiß sie nun, kommt für sie nicht infrage: „Wenn er wenigstens erklären würde, wie er schaffen will, was er ständig verspricht, wäre ich schon ein bisschen schlauer.“pErgebniss­e und Grafik ab Dienstag

früh auf derStandar­d.at/USA

 ??  ?? Flugzeuge der Größe einer Boeing 757 sieht man in Dubuque, Iowa, eher selten – noch dazu, wenn sie einem Multimilli­onär und Neopolitik­er wie Donald Trump gehören.
Flugzeuge der Größe einer Boeing 757 sieht man in Dubuque, Iowa, eher selten – noch dazu, wenn sie einem Multimilli­onär und Neopolitik­er wie Donald Trump gehören.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria