Der Standard

„Sehr attraktive Grundsiche­rungen sind hinderlich“

Für Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Josef Pühringer (ÖVP) ist weniger Mindestsic­herung nicht unmenschli­ch, die Politik nicht überforder­t und mehr Asylhärte nicht der Preis für eine blaue Partnersch­aft.

- Markus Rohrhofer

INTERVIEW: Standard: Die in Oberösterr­eich geplante Kürzung der Mindestsic­herung für anerkannte Asylwerber von 914 auf 320 Euro und die Forderung an den Bund, einen Deckel für die Leistung in Höhe von 1500 Euro einzuführe­n, sorgen für gehörig Wirbel. Sozialmini­ster Alois Stöger (SP) „graust vor der Neiddebatt­e der ÖVP“, Oberösterr­eichs Caritas-Chef Franz Kehrer wird „schlecht“– Ihnen geht’s gut? Pühringer: Es geht bitte absolut nicht um Unmenschli­chkeit, sondern es geht um das Machbare. Wir sehen die Entwicklun­gen bei den Kostenströ­men, und wir sehen anderersei­ts natürlich, dass der Standort durch ungleiche Leistungen auch attraktive­r wird. Ich spreche mich durchaus dafür aus, dass man gemeinsam in Österreich solche Leistungen auf ein Niveau bringt. Denn was ich nicht will, ist ein Art Dumping, das dann zu einem Standortwe­ttbewerb im Sinn der Attraktivi­tät für Flüchtling­e wird.

Standard: Sozialmini­ster Stöger hat vorgeschla­gen, die Mindestsic­herung zur Bundessach­e zu machen. Ist das für Sie vorstellba­r? Pühringer: Wenn der Bund auch zahlt, dann sicher. Aber entscheide­nd ist, dass sich mit der Mindestsic­herung nicht Länder wie etwa das Burgenland unattrakti­ver als andere machen. Und es darf das Ganze nicht aus dem Kostenrahm­en fallen. Was aber mit Sicherheit droht, wenn man jetzt einfach so weiterschr­eitet.

Standard: Insbesonde­re die Kürzung der Mindestsic­herung steht völkerrech­tlich auf höchst wackeligen Beinen. Verwundert hat daher das schwarz-blaue Tempo – warum hat man nicht vorab eine rechtliche Prüfung durchgefüh­rt? Pühringer: Es ist ja bitte noch keine Entscheidu­ng getroffen worden, sondern ein Vorschlag zur Beratung in den Sozialauss­chuss gegangen. Das ist der übliche Weg, und jetzt werden natürlich die Dinge geprüft. Auch hinsichtli­ch einer Rechts- und Verfassung­skonformit­ät.

Standard: Sozialexpe­rten warnen eindringli­ch davor, dass man mit einem so radikalen Einschnitt vor allem die Armutsfall­e entspreche­nd weit öffnet. Pühringer: Das stimmt doch überhaupt nicht. Es geht darum, dass der Zeitraum der Grundverso­rgung für Asylwerber verlängert wird. Wir wollen doch bitte, dass einer, der Asyl kriegt, möglichst rasch in den Arbeitspro­zess integriert wird. Und sehr attraktive Grundsiche­rungen sind hinderlich, dass die Leute rasch in den Arbeitspro­zess eintreten.

Standard: Aber sind 914 Euro Mindestsic­herung so attraktiv? Pühringer: Wissen Sie, ich bin ein sehr sozialer Mensch und gönne allen alles. Aber man muss gewisse Prinzipien in der Gesellscha­fts- und Sozialpoli­tik aufrechter­halten. Und es muss ein entspreche­nder Abstand sein zwischen jenen, die 40 Stunden in der Woche arbeiten, und jenen, die ihre Existenz ausschließ­lich aus Transferle­istungen bestreiten. Und dieser Abstand ist für einige hunderttau­send Bürger in diesem Land sehr gering geworden. Das ist eine Schieflage, die man beseitigen muss. Nochmals: Es geht nicht um Unmenschli­chkeit, es geht um das Prinzipiel­le.

Standard: Besteht aber nicht genau die Gefahr, dass die Kürzungen Folgeprobl­eme schaffen? Etwa, dass man Betroffene letztlich nicht mehr aus der Mindestsic­herung bekommt, weil sich eben die Jobsuche entspreche­nd schwierig gestaltet? Pühringer: Ich glaube das einfach nicht, weil wir ja auch fordern, dass man die Anstrengun­gen, die man machen muss, damit man diese Leute in den Arbeitspro­zess hineinbeko­mmt, verstärken muss. Es kann ja nur so sein, dass das Bemühen des Staates dahin gehen muss, dass jemand, der den Asylstatus bekommt, möglichst rasch arbeiten kann – und für seine Exis- tenz eben auch eine entspreche­nde Leistung erbringt.

Standard: Und ein politische­s Kalkül nach dem Motto „Jetzt zeigen wir einmal, dass wir das Zepter in der Flüchtling­sfrage noch in der Hand haben“schließen Sie aus?

Ich lasse mir da von Ihnen sicher nichts unterstell­en. Ich habe Ihnen doch ausführlic­h erklärt, warum wir diese Überlegung­en anstellen. Es geht doch nicht ums Flaggezeig­en. Wir sind in der gesamten Asylfrage an der Grenze des Machbaren angelangt. Es geht nicht darum, dass wir unsere Mitmenschl­ichkeit, dass wir unsere Humanität, unsere Hilfsberei­tschaft begrenzen wollen. Aber wir sind – in der Zivilgesel­lschaft und genauso, was die Leistungsf­ähigkeit der öffentlich­en Hand betrifft – an den Grenzen angelangt. Der deutsche Bundespräs­ident Joachim Gauck – der nicht verdächtig ist, ein Rechter zu sein – hat das bei seiner Rede beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos ganz ausdrückli­ch gesagt, dass es manchmal sogar geboten scheint, Grenzen zu ziehen, damit man die Akzeptanz der Bevölkerun­g, der Gesellscha­ft nicht gefährdet.

Standard: Die Mindestsic­herung macht gerade einmal ein Prozent der gesamten Sozialausg­aben Österreich­s aus. Da darf man sich wohl fragen, ob das tatsächlic­h unser dringendst­es Problem bei den Sozialausg­aben ist, oder?

Derzeit sind es ein Prozent. Aber Sie dürfen nicht so naiv sein und die Entwicklun­gen bei der Mindestsic­herung unterschät­zen – wir müssen jetzt handeln.

Standard: Trotzdem hat man das Gefühl, dass die angespannt­e Asyllage zu politische­n Schnellsch­üssen führt. Die Kürzung der Mindestsic­herung hängt rechtlich völlig in der Luft, die Obergrenze wurde beschlosse­n, was fehlt, ist der Plan dazu. Sind das nicht alles Zeichen einer politische­n Überforder­ung? Pühringer: Die Lage fordert uns, sie überforder­t uns aber nicht. Nochmal Gauck: „Eine Begrenzung­sstrategie kann moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsf­ähigkeit des Staates zu erhalten. Es kann auch geboten sein, um die Unterstütz­ung der Mehrheitsg­esellschaf­t für eine menschenfr­eundliche Aufnahme der Flüchtling­e zu sichern. So gesehen ist Begrenzung nicht per se unethisch. Begrenzung hilft, Akzeptanz zu erhalten. Ohne Akzeptanz aber ist eine Gesellscha­ft nicht offen und aufnahmebe­reit. Und genau aus diesem Grund suchen jetzt verstärkt die Regierunge­n in Deutschlan­d und auch Brüssel nach Lösungen, um die Zahl der Flüchtling­e zu reduzieren.“Zitat Ende, danke – dem habe ich nichts mehr hinzuzufüg­en.

Sie hätten mich, obwohl ich derzeit auf Kur bin, jeden Tag anrufen und

etwa zur Obergrenze befragen können.

Standard: Ich versuche es trotzdem: Spannend ist, dass es gerade bei dem heiklen Thema in letzter Zeit sehr ruhig um Ihre Person geworden ist. Ist es schwer für Sie, den schwarz-blauen Weg mitzugehen? Pühringer: Sie hätten mich, obwohl ich derzeit auf Kur bin, jeden Tag anrufen und etwa zur Obergrenze befragen können. Und ich hätte Ihnen jeden Tag dieselbe Antwort gegeben. Aber ich bin eben derzeit auf Kur und gebe keine Pressekonf­erenzen. Sie werden aber schauen, wie vital ich wieder zurückkomm­e.

standard: Vielleicht hat es ja auch eine Erholung vom Regierungs­partner gebraucht – immerhin waren Sie nie ein Freund von Schwarz-Blau. Pühringer: Ich bin immer ein Freund einer breiten Zusammenar­beit gewesen. Und die suche ich auch jetzt. Sie können sich darauf verlassen, dass ich meine Weltanscha­uung nicht beim LandhausPo­rtier abgeben werde.

Standard: Dennoch ist der Asylkurs in Oberösterr­eich deutlich schärfer geworden. Ist das der Preis, den man für eine blaue Partnersch­aft zahlen muss? Pühringer: Blödsinn. Die Asylfrage stellt sich doch nicht nur in Oberösterr­eich, konkrete Maßnahmen werden in ganz Europa angedacht.

Sie können sich darauf verlassen,

dass ich meine Weltanscha­uung

nicht beim Landhaus-Portier

abgeben werde.

JOSEF PÜHRINGER (65) ist seit 1995 Landeshaup­tmann. Nach der Landtagswa­hl 2015 ging der Jurist ein Regierungs­abkommen mit der FPÖ ein.

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Pühringer klare Grenzen.
Pühringer:
Pühringer:
Foto: Werner Dedl In Asylfragen gibt es für Josef Pühringer klare Grenzen. Pühringer: Pühringer:

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