Doskozil: 50.000 Abschiebungen nur „Mindestmaß“
Mit einem finanziellen „Anreizsystem“und der Festschreibung weiterer Länder als „sicher“will die Bundesregierung Abschiebungen forcieren. Doch aus besagten Staaten kamen bisher nur wenige Asylwerber ins Land.
Wien – Die am Wochenende bekannt gewordenen Pläne Innenministerin Johanna Mikl-Leitners (ÖVP), bis 2019 insgesamt 50.000 abgelehnte Asylwerber aus Österreich abzuschieben, erfuhren am Sonntag eine Steigerung: Die Zahl von 50.000 sei als „Mindestmaß“zu sehen, sagte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ).
Bereits ab „nächster Woche“, so Doskozil in der ORF- Pressestunde, könne er die vieldiskutierten Hercules-Flugzeuge zu Rückführungszwecken zur Verfügung stellen. Diese wurden seit Jahren von der FPÖ und zuletzt auch von ihm selbst ins Spiel gebracht.
Für die „Diskussion, mit welchen Verkehrsmitteln“Abschiebungen durchgeführt würden, habe er „kein Verständnis“, sagte Doskozil – der überdies betonte, koalitionsintern sei man in Sachen „Rechtsstaatlichkeit und humaner Umgang“mit Flüchtlingen einer Meinung.
Wie um hier dagegenzuhalten, kam es zwischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und ÖVPKlubobmann Reinhold Lopatka in der Folge zu Unstimmigkeiten: Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) solle für Österreich mit Marokko wegen eines Rückübernahme-Abkommens für abgelehnte Flüchtlinge verhandeln, forderte Faymann am Sonntag in der Krone. In Deutschland kümmere sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) selber um diese Angelegenheit, erwiderte Lopatka.
Nun nehmen derlei Rückübernahme-Abkommen – neben einem gestaffelten Anreizsystem zur „freiwilligen Ausreise“(wer sich rasch entscheidet, soll 500, wer es spät tut, nur 50 Euro mit auf den Weg bekommen) – bei den Abschiebeplänen der österreichischen Regierung eine zentrale Rolle ein: Ohne sie können viele ablehnend beschiedene Personen nicht ausreisen.
Für die Vereinbarung von Rückübernahme-Abkommen mit Marokko und Algerien existiert ein Verhandlungsmandat der EU: Ein- zelstaaten sollen also nicht auf eigene Faust, sondern in Hinblick auf das gemeinsame Unionsziel Gespräche führen.
Wenige Marokkaner
Aber auch mit einem EU-Rückübernahme-Abkommen wird es aus Österreich nicht zu vielen Abschiebungen nach Marokko kommen: In Österreich befinden sich derzeit nur rund 400 Marokkaner in Grundversorgung – sowie etwa ebenso viele Algerier. Im Gesamtjahr 2015, für das es noch keine abschließende Asylstatistik gibt, dürften weniger als tausend Menschen aus diesen beiden Staaten Asyl in Österreich beantragt haben. Zum Vergleich: 2015 haben rund 90.000 Personen in Österreich um Schutz angesucht.
Indes soll nicht nur in den Maghreb künftig einfacher rückgeführt werden können: Die Regierung plant, zusätzlich zu der gesamten EU, der Schweiz, Norwegen sowie den meisten BalkanStaaten sechs weitere Länder als „sichere Herkunftsstaaten“zu definieren. Legistisch wäre dazu keine Gesetzesänderung, sondern lediglich eine im Ministerrat beschlossene Verordnung nötig.
Als sicher sollen demnach auch Marokko, Algerien, Tunesien, Ge- orgien, die Mongolei und Ghana gelten. Deren Staatsangehörige sollen künftig einem auf zehn Tage beschränkten Asyl-Schnellverfahren unterzogen werden.
Aus keinem der geplanten zusätzlichen sicheren Herkunftsstaaten kamen 2015 mehr als einige Hundert Asylantragsteller. Dafür wurden aus Marokko und Algerien laut Jahresbericht 2014/15 von Amnesty unter anderem Fälle von Folter in Polizeigewahrsam, aus Georgien Fälle von Verfolgung religiöser Minderheiten, etwa der Zeugen Jehovas, gemeldet. (bri)