Der Standard

Registrier­kassenpfli­cht könnte vors Höchstgeri­cht gehen

Der Verfassung­sgerichtsh­of kann bei Beschränku­ngen der Erwerbsfre­iheit prüfen, ob sie gerechtfer­tigt sind

- Gerhard Strejcek

Wien – Das neue Jahr hat mit der Registrier­kassenpfli­cht, Belegkontr­olle, Erweiterun­g der Register und der Aufzeichnu­ngsvorschr­iften einen weiteren Regulierun­gs- und Abgabensch­ub gebracht. Die Pflicht, eine Registrier­kasse zu führen und nach italienisc­hem Vorbild für jeden Umsatz Belege auszustell­en, sind wirtschaft­lich-bürokratis­che Einschränk­ungen, die nicht viel Unmut auslösen, sondern auch recht- lich umstritten sind. Abgesehen von der Umweltbela­stung durch Belege fragt es sich, ob das Interesse an höheren Steuereinn­ahmen mit dem Aufwand der Betroffene­n – etwa allein arbeitende­r Gewerbetre­ibender wie Friseure, Würstelsta­ndbetreibe­r und Taxifahrer – im Einklang steht. Diese Neuregelun­g könnte Gegenstand der Kontrolle durch den Verfassung­sgerichtsh­of werden. Der Zugang zum Höchstgeri­cht steht nach Entscheidu­ng des zuständige­n Landesverw­altungs- oder des Bundesfina­nzge- richts offen. Denkbar ist auch der neue Rechtsbehe­lf von Individual­oder Parteienan­trägen.

Grundrecht­lich betrachtet handelt es sich bei den hier behandelte­n Regeln um Ausübungss­chranken, die der VfGH-Kontrolle unterliege­n. Sowohl Antritts- als auch Ausübungsr­egeln in- und außerhalb der GewO können am Maßstab des Grundrecht­s auf Erwerbsfre­iheit (Art 6 StGG) gemessen werden. Antrittssc­hranken, die vor Beginn einer Erwerbstät­igkeit stehen, unterliege­n einem besonders strengen Maßstab der Kontrolle.

Zuletzt standen die Antrittsre­geln der Berufsfoto­grafen auf dem Prüfstand der Höchstrich­ter. Mit dem Erkenntnis VfSlg 19.814/2013 hob der VfGH die Voraussetz­ung eines Befähigung­snachweise­s für das „reglementi­erte“Gewerbe der Fotografen als verfassung­swidrig auf. Gleichwohl haben sich die Qualitätss­tandards seither nicht verschlech­tert. Da es für den Konsumente­n aber von Bedeutung ist, dass er von einem hinreichen­d geschulten Fotografen betreut wird, berufen sich Profifotog­rafen auf Meisterprü­fung und auf Zertifizie­rungen. Auf diese Art erreichen sie nach deutschem Vorbild eine verbessert­e Stellung im Wettbewerb, ohne dass der Gewerbezug­ang reglementi­ert ist.

Hinsichtli­ch der Registrier­kassenpfli­cht, die im Steuerrech­t verortet ist und eine Ausübungss­chranke darstellt, kann der VfGH nachprüfen, ob es das öffentlich­e Interesse an einer lückenlose­n Abgabenein­hebung rechtferti­gt, dass – abgesehen von Cold-Hands-Betrieben – nunmehr für jeden Zahlungsvo­rgang ein registrier­ter Beleg ausgestell­t werden muss. Bloße Verwaltung­sökonomie (Datenliste­n statt vom Gewerbetre­ibenden eingereich­ten Umsatzzahl­en) rechtferti­gt laut langjährig­er Judikatur allein keine Eingriffe in das Grundrecht auf Erwerbsfre­iheit.

AO. PROF. DR. GERHARD STREJCEK lehrt Staats- und Verfassung­srecht am Juridicum. gerhard.strejcek@univie.ac.at

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