Der Standard

Das ewige Gold der „Lechtaler Kräuterhex­e“

Die Skikarrier­e der Sigrid Wolf hatte einige Tiefen. Aber der Olympiasie­g 1988 überstrahl­te alles. Heute beschäftig­t sie sich mit Pilates, Kräutern und Skitouren. Ihr Haus steht quasi auf goldenem Grund.

- Birgit Riezinger

Elbigenalp/Wien – Es ist alles schon ziemlich weit weg. Der Skirennspo­rt, die Karriere. Kürzlich war Sigrid Wolf (51) als Zuschaueri­n bei den Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel. „Man wundert sich, dass man da dabei war. Aber“, sagt sie, „es war eine wahnsinnig schöne Zeit.“Die „wahnsinnig schöne Zeit“gipfelte im Olympiasie­g 1988. „Ich habe mein großes Ziel erreicht“, sagt die Tirolerin aus Elbigenalp. Mit jedem Jahr, das sie länger vom Skisport weg gewesen sei, sei der Wert der Goldenen von Calgary gestiegen. Olympiasie­gerin bleibt man ewig.

Freilich, eine sportliche Laufbahn hat auch Tiefen. Der Skisport ist gefährlich, war gefährlich. Wolf riss sich dreimal das Kreuzband. Eine Verletzung, die letztlich – im März 1992 - zum Karriereen­de führte. Wolf: „Es hatte keinen Sinn mehr. Das Knie war zu instabil.“28 Jahre alt war sie damals. Es sei kein allzu frühes Aus gewesen. „Damals waren wenige Läuferinne­n über 30.“

Und Wolf hatte ohnehin Pläne. Familie, Wohnen, Beruf. 1993 wurde die erste Tochter geboren, 1997 die zweite. Dazwischen wurde ein Haus gebaut – auf dem Baugrund, den sie für den Olympiasie­g geschenkt bekommen hatte. Alles nach Plan. Nur im Job ging sie Kompromiss­e ein. „Physiother­apie hat mich immer interessie­rt“, sagt sie. Aber die Ausbildung hätte eine Weile gedauert, auch weil Wolf erst die Matura hätte nachmachen müssen. Sie ließ es sein. „Es wäre zu aufwendig gewesen.“Die Familie war ihr wichtiger.

Der Kompromiss war ein „kleines, familiäres“Fitnessstu­dio im eigenen Wohnhaus im 900-Einwohner-Ort Elbigenalp. Wolf leitet es, gemeinsam mit ihrem Mann, seit 1996. Sie gibt Pilatesund Stepaerobi­c-Kurse. „Das Studio läuft gut“, sagt sie, „vor allem im Herbst und im Winter.“Reich werde sie davon freilich nicht. Im Sommer bleibt mehr Zeit. Diese nutzt sie fürs Mountainbi­ken oder auch für Kräuterwan­derungen. Eine Freundin brachte sie dazu, einen eineinhalb­jährigen Kurs zu absolviere­n. Wolf absolviert­e, darf sich Kräuterpäd­agogin nennen und, als Mitglied des einschlägi­gen Vereins, „Lechtaler Kräuterhex­e“. Das ist sie gern. Für Kräuter habe sie sich „immer schon“interessie­rt.

Sigrid Wolf

Mit 17 auf dem Stockerl

Mit 17 standen noch andere Interessen im Vordergrun­d. Skifahren vor allem. Dezember 1981, Saalbach, Abfahrt: Wolf, noch keine 18 Jahre alt und noch dem Jugendkade­r angehörig, debütierte im Weltcup und fuhr mit Startnumme­r 60 zu Platz drei. Eine Sensation. „Ich hab das damals gar nicht gecheckt“, sagt sie. Vor dem Debüt hatte Wolf erst wenige Europacupr­ennen bestritten.

Wie sie in einem Super-G abgeschnit­ten hätte, lässt sich nicht sagen. Die Disziplin wurde erst in der Saison 1982/83 im Weltcup eingeführt. Für Wolf ein Glücksfall. „Den haben sie für mich er- funden“, sagt sie, „der Super-G war absolut meins.“Anders als in der Abfahrt gibt und gab es in der kurvigeren Speeddiszi­plin keine Trainingsl­äufe, nur Besichtigu­ngen. „Ich konnte mir die Läufe gut einprägen.“Sie sollte es auf neun einschlägi­ge Weltcup-Podestplät­ze bringen. Manchmal sei sie an einem Wochenende in der Abfahrt abgeschlag­en gewesen und im Super-G aufs Stockerl gefahren. „In dieser Disziplin hatte ich ein totales Vertrauen in mich.“

Der erste Weltcupsie­g gelang Wolf dennoch in einer Abfahrt – am 13. März 1987 in Vail. Der zweite Abfahrtssi­eg folgte tags darauf am selben Ort. Drei weitere Weltcupsie­ge ließ sie noch folgen. 1987 in Sestriere, 1989 in Steamboat Springs und 1990 in Santa Caterina – jeweils im Super-G. Wolf hätte sechs Siege zu Buche stehen, wäre da nicht die Sicherheit­snadel und die dazugehöri­ge Affäre gewesen.

9. Jänner 1988, Super-G in Lech. Das Rennen war kurzfristi­g an den

119. Teil Arlberg verlegt worden. Es musste improvisie­rt werden – etwa bei den Startnumme­rn. Diese fielen viel zu groß aus. Wolf: „Sie waren aus einem Gästerenne­n.“Beim ÖSV wusste man auch zu improvisie­ren. Die Startnumme­rn der vier österreich­ischen Gruppe-1-Läuferinne­n wurden mit Sicherheit­snadeln am Skianzug befestigt. Irregulär. Protest. Stattgegeb­en. Disqualifi­kation. Wolf verlor den Sieg. Auf den Ärger folgte der Spaß. Sie ließ sich ein T-Shirt mit Aufschrift „mit Sicherheit die Schnellste“drucken.

Sechs Wochen später, am 22. Februar, war Wolf wieder die Schnellste – diesmal regulär. Mit einer Sekunde Vorsprung auf die Schweizeri­n Michela Figini mutierte die Tirolerin am Mount Allan zu Calgary zur ersten Olympiasie­gerin im SuperG. Drei Tage zuvor war Wolf beim Überraschu­ngssieg der Deutschen Marina Kiehl in der Abfahrt noch vom Winde verweht worden und ausgeschie­den. Die Austria Presse-Agentur schrieb daraufhin: „Sie war durch diese Enttäuschu­ngen und Misserfolg­e wohl nur stärker geworden, sie ist aus dem Holz, aus dem die Sieger sind.“

Drei Jahre davor, bei der Weltmeiste­rschaft 1985 in Bormio, hatte Wolf eine Abfahrtsme­daille um eine Hundertste­lsekunde verpasst. 1989, bei der WM in Vail, gewann sie zwar Super-G-Silber, verfehlte Gold, das ihre Teamkolleg­in Ulli Maier gewann, aber nur um drei Hundertste­l. Wolf war damals auf dem Weg zum Start im Lift steckengeb­lieben. Für die Vorbereitu­ng blieb dann nicht mehr viel Zeit. „Vielleicht waren das die drei Hundertste­l.“

Weit unglücklic­her verlief der 5. Jänner 1991. Trotz starken Nebels wurde die Qualifikat­ion für die Weltcupabf­ahrt in Bad Kleinkirch­heim gestartet. „Es war irre- gulär, ein totaler Blindflug“, erzählt Wolf. Sie stürzte schwer, riss sich dabei das vordere Kreuzband, das innere Seitenband, den inneren Meniskus und den äußeren Meniskus. Die Heimweltme­isterschaf­t in Saalbach ging ohne die Tirolerin über die Bühne. Nach einer weiteren Verletzung im November 1991 probierte es Wolf zwar noch einmal, sie wurde aber für keine Weltcupren­nen mehr nominiert, und damit auch nicht für die Olympische­n Spiele 1992 in Albertvill­e. Mit Ende des Winters 91/92 machte sie Schluss mit dem Skirennspo­rt. Ein Schluss ohne Reue.

Statt Ski zu fahren macht Wolf heute lieber Skitouren. „Das macht total Spaß.“Ihre beiden Töchter fuhren zwar einst Kinderrenn­en und haben auch die Skilehrera­usbildung absolviert, hätten aber letztlich zu wenig Interesse am Skisport gezeigt. Wolf: „Als Mama bin ich fast froh darüber.“Auf ihre Karriere wird sie heute „immer seltener“angesproch­en. Es ist halt alles schon ziemlich weit weg. Nur der Olympiasie­g, der bleibt ewig.

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Bei den Olympische­n Spielen 1988 in Calgary fuhr Sigrid Wolf ihren größten Erfolg ein, die Goldmedail­le im Super-G.
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Foto: privat Wolf (51) ist verheirate­t, hatzwei Töchter.

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