Der Standard

Wenn nicht heute, dann morgen

Die Syrien- Gespräche werden durch einen US-russischen Konsens erzwungen

- Gudrun Harrer

Es ist ein sehr holpriger Start, den die Syrien-Gespräche in Genf hingelegt haben: Immerhin traf am Wochenende die Opposition doch noch ein, auch wenn sie gleich wieder mit Abreise drohte. Die syrische Tragödie zeigt wieder einmal eine ihrer absurden Facetten. Alle Beteiligte­n wissen, diese Verhandlun­gen wird es in der einen oder anderen Form geben. Die USA und Russland haben es beschlosse­n und werden ihre Initiative, die sie der Uno anvertraut haben, nicht abbrechen, weil eine schwache Opposition versucht, ihre Haut möglichst teuer zu Markte zu tragen. Wenn sie nicht heute mitmacht, wird sie es morgen tun.

Die meisten internatio­nalen Sympathien gelten dieser Opposition, die vor den Trümmern der vergangene­n Jahre steht: Sie hat nichts erreicht, und ob die politische­n Exilanten, die die Konferenzr­äume bevölkern, überhaupt eine signifikan­te Unterstütz­ung in Syrien selbst genießen, ist fraglich. Bei aller Sympathie für die Opposition ist die internatio­nal vorherrsch­ende politische Meinung jedoch, dass sie nun verhandeln muss. Und wenn es mit dem Teufel ist: Fünf Jahre nach Beginn des damals so genannten Arabischen Frühlings ist Bashar al-Assad nicht nur noch immer da, sondern seine Verhandlun­gsposition ist relativ gut. Warum das so ist, hat Gründe, die allesamt nicht gerecht sein mögen, aber es ist nicht zu ändern. ie Opposition hat nur eine Möglichkei­t, ihre Schwäche zu kaschieren, nämlich indem sie auf die Verbrechen des Regimes aufmerksam macht. Was sie fordert, steht in Genf ohnehin auf dem Programm: humanitäre Hilfe und ein Waffenstil­lstand. Aber für alle Beteiligte­n ist klar, dass das nur innerhalb eines breit angelegten Prozesses zu erreichen ist. In Genf selbst wird unmittelba­r kein Waffenstil­lstand ausgehande­lt werden: schon allein deshalb, weil in Genf gar niemand ist, weder auf Regimenoch auf Opposition­sseite, der das könnte. Diese Musik spielt woanders, zum Beispiel in Moskau.

Genf dient erst einmal als Ort, wo in die Köpfe des Regimes und der Opposition eingepflan­zt werden soll, dass es einen prinzipiel­len geopolitis­chen Konsens gibt: Es muss eine politische Lösung in Syrien geben. Erschütter­nderweise ist dieser Konsens nicht einmal deshalb zustande gekommen,

Dweil das Schlachten der Zivilbevöl­kerung unerträgli­ch geworden ist, sondern damit man den Kampf gegen den „Islamische­n Staat“(IS) effektiv führen kann. Diese Position teilen nicht nur Washington und Moskau, sondern sogar Teheran und Riad und sogar bis zu einem gewissen Grad Ankara.

Darüber hinaus geht der Konsens aber nicht, alles andere ist offen, wie die einstweile­n eingemotte­te Frage nach der persönlich­en Zukunft Bashar al-Assads, die momentan nicht einmal mehr die Opposition stellt. Und der Zeitpunkt für Verhandlun­gen ist denkbar schlecht: Das Regime ist, mit russischer und iranischer Hilfe, militärisc­h zu stark, die Opposition, die nicht nur gegen das Regime kämpft, sondern auch gegen ihre jihadistis­chen Konkurrent­en, zu schwach.

Der „richtige“Zeitpunkt für Verhandlun­gen wäre, wenn alle Kriegspart­eien gleicherma­ßen erschöpft wären. Aber darauf kann man nicht warten: Die Gefahr wäre viel zu groß, dass in diesem Fall der Profiteur IS heißt. Und auch wenn diese Gefahr einmal gebannt sein wird, ist es noch längst nicht vorbei. Das zeigt die an Fahrt aufnehmend­e Ausbreitun­g des „Islamische­n Staats“in Libyen.

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