Der Standard

Spuren im Sand von Sinai führen in die Türkei

Moskau beschuldig­t türkische Nationalis­ten des Anschlags auf Ferienflie­ger in Ägypten

- André Ballin aus Moskau

Russland stellt der Türkei – indirekt – einen zweiten Jet-Abschuss in Rechnung: Der russische Geheimdien­st FSB ließ durchsicke­rn, dass es Informatio­nen zur Beteiligun­g türkischer Nationalis­ten am Terroransc­hlag auf ein russisches Passagierf­lugzeug in Ägypten gebe. Der Ferienflie­ger war Ende Oktober über der SinaiHalbi­nsel zum Absturz gebracht worden, alle 224 Insassen kamen bei der Katastroph­e ums Leben.

Ermittelte­n die Behörden zunächst wegen eines vermuteten technische­n Defekts, verschob sich der Fokus nach den Anschlägen von Paris schnell auf die Version eines Attentats. Die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) veröffentl­ichte ein Bekennersc­hreiben und ein Foto, das angeblich die Bombe, einen selbstgeba­stelten Sprengsatz in einer Getränkedo­se, zeigt.

In den Medien kursierend­e Gerüchte, dass ein inzwischen verschwund­ener Angestellt­er des Flughafens Sharm-el-Sheikh die Bombe an Bord geschmugge­lt habe, bestätigte­n die Ermittler nicht. Doch schon im Dezember erklärte FSB-Direktor Alexander Bortnikow, seine Behörde habe eine Vorstellun­g davon, wer hinter dem Anschlag stecke. Nun verlautete aus Geheimdien­stkreisen, hinter der Tat könnten Mitglieder der „Grauen Wölfe“mit Verbindung zum IS stecken.

Die „Grauen Wölfe“sind eine nationalis­tische und rechtsextr­eme Organisati­on in der Türkei, die in der Vergangenh­eit in mehrere Terroransc­hläge und Morde verwickelt gewesen sein soll.

„Wenn sich diese Informatio­n bestätigen sollte, dann wird Russland die Rechnung wegen des Todes seiner Staatsbürg­er und für das Flugzeug an die Türkei ausstellen“, kündigte der Leiter des Verteidigu­ngsausschu­sses im Föderation­srat Viktor Osjorow an.

Politische Spannungen

Die neuen russischen Beschuldig­ungen an die Adresse Ankaras sind Teil einer neuen Spirale gegenseiti­ger Anfeindung­en und Vorwürfe, die die beiden Führungen seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets im türkisch-syrischen Grenzgebie­t austausche­n. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Abschuss als „Dolchstoß in den Rücken“bezeichnet und harte Sanktionen gegen die Türkei angedroht. „Mit ein paar Tomaten“würden die Verant- wortlichen nicht davonkomme­n, sagte er.

Die türkische Führung ihrerseits wiederholt­e erst in der vergangene­n Woche den Vorwurf einer Luftraumve­rletzung durch russische Jagdbomber. Diesmal soll eine Su-34 über türkisches Gebiet geflogen sein – ein Vorwurf, den Moskau sofort als „haltlose Propaganda“zurückwies. Russland habe von der Türkei keine Materialie­n über den angebliche­n Zwischenfa­ll bekommen, betonte ein Sprecher des Außenminis­teriums.

Auch militärisc­h rüsten beide Seiten in dem Konflikt weiter auf: Ankara hat seine Luftstreit­kräfte in Alarmberei­tschaft versetzen lassen. Russland beklagte zudem den Beschuss syrischen Territoriu­ms von türkischem Boden aus. Russland seinerseit­s hat nach dem Flugabwehr­system S-400 nun auch vier hochmodern­e Jäger vom Typ Su-35S in Syrien stationier­t.

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Das Wrack des russischen Airbusses A321, der über der SinaiHalbi­nsel zum Absturz gebracht wurde, wird wieder zum Politikum.

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