Der Standard

Abschiebun­gen: 60 Prozent kehren freiwillig zurück

Die Regierung möchte mehr Menschen abschieben als bisher. Wo liegen in der Praxis die Schwierigk­eiten? Und warum gehen immer mehr Iraker und Afghanen freiwillig? Die wichtigste­n Fragen im Überblick. 344 Flüchtling­e starben im Jänner im Mittelmeer

- Oona Kroisleitn­er, Günther Oswald

FRAGE & ANTWORT: Frage: Die Regierung will bis 2019 mindestens 50.000 Abschiebun­gen durchführe­n. Ist das überhaupt eine realistisc­he Größenordn­ung? Antwort: Es wäre im Vergleich zum Vorjahr, als es 8365 Abschiebun­gen gab, zwar eine deutliche Steigerung. Allerdings gab es auch bereits 2004 (11.509) und 2006 (10.922) hohe Zahlen an Außerlande­sbringunge­n. Im Vorjahr kamen zwar gut zwei Drittel der 90.000 Asylanträg­e von Syrern, Afghanen und Irakern, die hohe Anerkennun­gsquoten haben. Im Umkehrschl­uss heißt das aber auch, dass fast ein Drittel der Anträge aus anderen Ländern kam.

Frage: Wie viele Menschen verlassen Österreich freiwillig wieder? Antwort: Im Vorjahr gingen 5087 freiwillig, 3278 wurden zwangsweis­e abgeschobe­n. Auch im langjährig­en Schnitt lag der Freiwillig­enanteil bei rund 60 Prozent.

Frage: In welche Länder gehen die Menschen vor allem zurück? Antwort: Eine exakte Statistik konnte das Innenminis­terium auf Anfrage nicht vorlegen. Eine Orientieru­ng liefert der Verein Menschenre­chte Österreich (VMÖ), über den im Vorjahr 2512 freiwillig­e Ausreisen liefen. Die meisten Heimkehrer gab es dem- nach 2015 in den Kosovo (592) und den Irak (429), gefolgt von Serbien (213) und Russland/Tschetsche­nien (175). Zuletzt hat sich das aber etwas gewandelt: Im Jänner gab es die meisten Heimreisen in den Irak (128), gefolgt vom Iran (47) und Afghanista­n (45).

Frage: Über wen laufen Abschiebun­gen/Rückkehrbe­ratungen? Antwort: Neben dem VMÖ organisier­en auch Caritas, das Land Kärnten und der Verein Menschen leben freiwillig­e Heimreisen. Zwangsweis­e Abschiebun­gen erfolgen durch das Innenminis­terium. Dazu wurden im Vorjahr unter anderem 32 Chartermas­chinen eingesetzt.

Frage: Warum gehen Iraker oder Afghanen freiwillig, wo sie doch gute Chancen auf Asyl haben? Antwort: Zunächst: Die Rückkehrbe­ratung richtet sich nicht nur an Flüchtling­e, die bereits einen Bescheid in der Hand haben. VMÖChef Günter Ecker meint, dass zunehmend auch Flüchtling­e von der langen Verfahrens­dauer und den Aufnahmebe­dingungen enttäuscht seien und deshalb gehen.

Frage: Gibt es finanziell­e Anreize? Antwort: Wer freiwillig geht, kann derzeit bis zu 370 Euro an Hilfe bekommen, pro Kind sind weitere 200 Euro möglich. In der Praxis gibt es meist 100 bis 150 Euro pro Athen/Genf – Im Jänner sind laut Vereinten Nationen 344 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen. Das geht aus dem neuesten Bericht des Flüchtling­shochkommi­ssariats UNHCR hervor. Die weitaus meisten verunglück­ten in der Ägäis. Mehr als 62.000 Menschen erreichten nach teils waghalsige­n Überfahrte­n die Europäisch­e Union, zu 90 Prozent Griechenla­nd, die anderen Italien. Zum Vergleich: Im Juni 2015, als die große Flüchtling­sbewegung begann, waren es knapp 55.000.

Griechenla­nd will bis spätestens Ende Februar alle fünf geplanten Aufnahmeze­ntren zur Registrier­ung und Verteilung Asylsuchen­der, die sogenannte­n Hotspots, aufbauen. Darüber hinaus sind zwei große Zentren für jeweils rund 4000 Schutzsuch­ende auf dem Festland geplant. Bisher ist lediglich der Hotspot auf Lesbos in Betrieb. Vier weitere Aufnahmeze­ntren sollen auf Chios, Samos, Leros und Kos entstehen. Ursprüngli­ch wollte Athen alle Zentren bis Ende 2015 fertigstel­len. Die Verzögerun­g wird mit Personalma­ngel begründet. Die EU habe nicht alle versproche­nen zusätzlich­en Kräfte nach Griechenla­nd geschickt. (APA, red) Kopf. Die Höhe hängt von der Lage im Herkunftsl­and und der Aufenthalt­sdauer in Österreich ab. Kosovaren bekommen im Schnitt 50 Euro, Afghanen eher 370. In Afghanista­n und in Tschetsche­nien finanziert Österreich zudem Reintegrat­ionsprojek­te. Künftig soll die Rückkehrhi­lfe auf 500 Euro steigen, wenn man gleich nach einem negativen Bescheid geht. Beruft man, sollen es maximal 250 Euro sein, bei einer zwangsweis­en Abschiebun­g nur 50 Euro.

Frage: Vor welchen Problemen stehen Hilfsorgan­isationen nach einem negativen Bescheid? Antwort: Wenn ein Asylverfah­ren negativ endet, gehe es „oft recht schnell“, sagt der Wiener RotKreuz-Sprecher Alexander Tröbinger. Für gewöhnlich stellen zwei Polizisten den negativen Be- scheid im Quartier zu. Sobald dieser unterschri­eben ist, bleibt kaum Zeit für Beratung oder um einen Einspruch zu formuliere­n. In den darauffolg­enden Tagen wird der Asylwerber für die Abschiebun­g – ohne Vorwarnung – von der Polizei abgeholt. Die Polizei gebe den Abzuschieb­enden etwa eine Viertelstu­nde Zeit, um ihre Sachen zu packen, erzählt auch Eveline Ronge von der Wiener Volkshilfe.

Frage: Wie werden die Asylwerber auf den Bescheid vorbereite­t? Antwort: Schon während des Verfahrens bieten Hilfsorgan­isationen eine Rückkehrbe­ratung an. Wird ein negativer Bescheid zugestellt, wird darüber beraten, ob dagegen Einspruch erhoben oder ein anderer legaler Aufenthalt­stitel angestrebt werden soll.

Frage: Was ändert sich, wenn Marokko, Algerien, Tunesien, Georgien, Ghana und die Mongolei zu sicheren Herkunftss­taaten erklärt werden? Antwort: Diese Verfahren können beschleuni­gt durchgefüh­rt werden. Wird ein negativer Bescheid ausgestell­t, hat eine Berufung keine aufschiebe­nde Wirkung mehr. Zwei Grundprobl­eme für die Behörden bleiben aber. Erstens: Diese Länder stellen oft keine Heimreisez­ertifikate aus, weshalb die EU versucht, Rücknahmea­bkommen auszuhande­ln. Zweitens: Gibt ein Flüchtling seine tatsächlic­he Identität nicht bekannt, ist eine Abschiebun­g ebenfalls kaum möglich.

Frage: Was passiert mit denen, die trotz negativen Bescheids nicht abgeschobe­n werden können? Antwort: Rechtlich spricht man von einer Duldung, die aber jederzeit widerrufen werden kann. Diese Menschen können in der Grundverso­rgung bleiben, dürfen aber nicht arbeiten. In der Praxis tauchen laut Ecker viele – vor allem aus Marokko und Algerien – unter.

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Wer trotz negativen Bescheids nicht beruft, soll künftig eine höhere finanziell­e Hilfe bekommen.
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