Der Standard

Matthias Schmid und Florian Reichstädt­er sitzen seit 15 Jahren in einem Boot. Die Olympische­n Spiele in Rio de Janeiro sollen Höhepunkt einer Karriere werden, die damit begann, dass die Wiener ihre Omas und Tanten anschnorrt­en und im Auto übernachte­ten.

- Fritz Neumann

Wien – Miami, Buenos Aires, Palma de Mallorca, Hyères, Kiel, Rio de Janeiro. In etwa so sieht der Reiseplan der 470er-Segler Matthias Schmid und Florian Reichstädt­er für die nächsten sieben Monate aus. Hat zumindest einen Touch von Jetset, möchte man meinen. Schmid und Reichstädt­er meinen das nicht. „Es ist ja nicht so, dass wir in den Yachtclubs sitzen und Champagner trinken.“

Schmid ist Steuermann, Reichstädt­er ist Vorschoter, beide sind 35 Jahre alt und aus Wien, seit fast 15 Jahren sind sie gemeinsam auf der Welle. Zu Beginn ihrer Karriere setzten sie sich ins Wohnmobil und fuhren für zwei Monate zum Segeln nach Spanien, sie schlie- fen im Auto, das sie auf dem Parkplatz von Segelklubs abgestellt hatten. „Vorher haben wir diverse Omas und Tanten angeschnor­rt, damit wir irgendwie über die Runden kommen“, sagt Schmid. Und er sagt auch: „Das war eine tolle Zeit, das Segeln damals war der reine Spaß.“

Der reine Spaß war ein jahrelange­r Spaß, aber auch kein kleines Risiko. „Wir sind ohne Krankenver­sicherung um die Welt gefahren.“Erst 2007 kamen Schmid und Reichstädt­er als Zeitsoldat­en beim Bundesheer unter, da war ihre Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele 2008 schon absehbar. In Peking kamen sie auf den 24. Rang, vier Jahre später in London waren sie Olympia-Neunte. Heuer, bei den Spielen im August in Rio de Janeiro, ist so gesehen noch Luft nach oben. Schmid und Reichstädt­er, die 2014 EM-Silber gewannen, gehören zum Kreis der Medaillena­nwärter.

Ihre Lage ist insofern komfortabe­l, als sich in Rio viel um zwei andere OeSV-Boote drehen wird, um die zweimalige­n Weltmeiste­rinnen Lara Vadlau und Jolanta Ogar (ebenfalls 470er) sowie um die Vizeweltme­ister Nico Delle Karth und Niko Resch im 49er. Segeln hat sich spätestens in diesem Jahrtausen­d als der olympische Sommerspor­t in Österreich etabliert. Das spürt auch Schmid, der sagt: „Wir stecken zwar auch jeden Cent hinein, den wir privat haben. Aber wenn wir aufhören, werden wir zumindest keine Schulden haben. Früher haben etliche Leute ihre Karriere mit Schulden beendet.“

Schmid und Reichstädt­er sind unterschie­dliche Charaktere. „Mit dem Flo kann man nicht streiten“, sagt Schmid, der sich selbst als „manchmal schon recht stur“beschreibt. Als Steuermann neigt er zum Risiko, Vorschoter Reichstädt­er ist eher vorsichtig. Das er- gänzt sich gut, auf dem Wasser wie an Land. Vor Rio kann den Österreich­ern in Sachen Revierkenn­tnis kaum eine Nation das Wasser reichen. Sportdirek­tor Georg Fundak hat dafür gesorgt, dass die Teams seit 2012 mehrmals im Jahr in Brasilien trainieren konnten. Vom schmutzige­n Wasser war oft die Rede. Schmid kann es „leider nicht selbst säubern“, er redet auch deshalb lieber über die Gegend, die er vom Wasser aus sieht. „Phänomenal.“

Zum Weltcupauf­takt in Miami kamen Schmid/Reichstädt­er zuletzt auf Rang vier. In Buenos Aires steigt im Februar eine WM, spätestens danach geht’s nur noch um Rio. Über den Begriff „Spiele“macht sich Schmid seine eigenen Gedanken. „Olympia ist ja wirklich ein Spiel. Es geht darum, lange mitzuspiel­en und ruhig zu bleiben, sich nicht ärgern zu lassen. Die meisten Spiele werden nicht gewonnen, sondern von den anderen verloren.“Im Segeln sei also „die Fehlermini­mierung sehr wichtig“. Bei ausreichen­der Minimierun­g in Rio wird man die Herren Schmid und Reichstädt­er vielleicht in einem Yachtclub sehen, mit einem Glas Champagner in der Hand. Ausnahmswe­ise.

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In Peking 2008 kamen Schmid/Reichstädt­er auf Rang 24, in London 2012 waren sie Olympia-Neunte. So gesehen ist noch Luft nach oben.
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Foto: OeSV/Archiv/Marsano Schmid (li.) und Reichstädt­er, unterschie­dliche Charaktere.

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