Der Standard

Was heute normal ist

-

Die größte aufkläreri­sche Errungensc­haft unserer Gesellscha­ft in jüngster Zeit betrifft ohne Zweifel die – fast – allgemeine Einschätzu­ng dessen, was als „normal“gelten darf. Was alles vor fünfzig Jahren noch nicht in diese Kategorie fiel und jetzt ... na eben völlig normal ist, gibt Anlass zur Hoffnung auf die Entwicklun­gsfähigkei­t der menschlich­en Spezies inklusive der Subspezies Homo austriacus.

Nicht, dass es nicht manchmal verwirrend wäre. Dass Institutio­nen, die vor den oben angeführte­n und symbolisch gemeinten fünfzig Jahren noch als „Ämter“(und ihre Angehörige­n als „Beamte“) galten, besonders gerne dieser Verwirrung anheimfall­en, ist wahrschein­lich auch, ähem, normal.

Also, da geht man eben nicht mehr auf die Post, sondern zum Postpartne­r. Die gelben Plattfüße auf dem Boden leiten einen vorbei an allem, was man nicht braucht, bis zum – ein Begriff aus einem anderen Postzeital­ter – Schalter. Dort will man, nicht im übertragen­en, sondern im konkreten Sinn ein (größeres) Buch aufgeben, und als informiert­er Kunde weiß man sogar, dass es per „Economy Brief Großbrief“um 9,90 Euro – a net schwach – reisen wird.

„Normal oder langsam?“, wird man gefragt. Da man annimmt, dass „normal“für die Post „normal“ist, wählt man „normal“: Und siehe da, das ist dann die kostspieli­ge PriorityVa­riante. Teuer ist normal, und was früher normal war, ist heute langsam. Zahllastum­kehr.

Newspapers in German

Newspapers from Austria