Nach nur drei Minuten großspurig wie eh und je
Die Vorwahlen in Iowa brachten einen nur sehr knappen Sieg für Hillary Clinton bei den Demokraten und einen deutlichen für Ted Cruz bei den Republikanern. Die Demut des entzauberten Donald Trump dauerte nicht lang.
Donald Trump steht im Ballsaal des Sheraton-Hotels in Des Moines und bemüht sich um etwas, was ihm nicht liegt: um Demut, Bescheidenheit, leise Töne. Als die Stunde der Wahrheit schlägt, sagt er mit scheinfröhlicher Miene: „Ich bin Zweiter geworden. Ich fühle mich geehrt, wirklich geehrt.“
In Wahrheit ist sein Traum, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, ein Stück in die Ferne gerückt. Rund 24 Prozent der Stimmen hat Trump in Iowa bekommen, er landet auf dem zweiten Platz hinter Ted Cruz, dem TeaParty-Aushängeschild aus Texas. Viel knapper als prognostiziert liegt er vor dem Drittplatzierten, Marco Rubio, dem aufstrebenden Senator aus Miami.
Vielleicht hat sich gerächt, dass er vor Monaten auch die Bewohner des „Hawkeye State“zur Zielscheibe rhetorischer Rüpeleien gemacht hatte. „Wie dumm sind die Leute in Iowa?“, fragte er, als der mittlerweile abgedriftete Herz- chirurg Ben Carson noch der Liebling der lokalen Parteibasis war. Jetzt macht er einen Rückzieher, fast schon einen Kniefall, nur kommt er zu spät. „Ich liebe Iowa“, flötet Trump, „vielleicht kaufe ich mir hier einmal eine Farm.“
Es ist allein schon die untypisch bescheidene Pose, die deutlich macht, was für eine Schlappe der selbstverliebte Unternehmer einstecken musste. Programme ersetzt er durch Slogans, dass Amerika endlich wieder gewinnen werde, wenn er erst im Weißen Haus residiere, weil er viel vom Gewinnen verstehe. Nun hat er zum Auftakt die Vorwahlen verloren.
Ist es bereits der Anfang vom Ende des „Trumpismus“, der die Ängste der Wähler aufgreift und auf eine Weise verstärkt, dass die Vereinigten Staaten bisweilen an Verunsicherte Staaten von Amerika denken lassen?
„Am Rand einer Klippe“
Cruz meint, „die Ehre gebührt Gott“, und er feiert sich mit den Worten, dass dies der Erfolg einer mächtigen Graswurzelbewegung sei. Der Harvard-Jurist hat wie kein Zweiter um die Gunst evangelikaler Christen gebuhlt, bisweilen im Ton eines Predigers, der vor dem Jüngsten Gericht warnt.
In der Adventure Community Church in Davenport stand er am Sonntag unter einem Sternenbanner und sprach in dramatischen Metaphern vom vermeintlichen Niedergang der USA. „Wir stehen am Rand einer Klippe und starren in die Tiefe. Wenn wir nicht umkehren, stürzen wir das grandioseste Land der Welt in den Ruin.“
Der wahre Sieger bei den Konservativen ist Marco Rubio, kubanischstämmig wie Cruz, nur deutlich optimistischer. Er klingt wie der Barack Obama des Jahres 2008, wie der unterschätzte Newcomer, der es den alten Seilschaften nun zeigt. „Sie sagten, ich hätte keine Chance, denn mein Haar sei nicht grau genug, und die Absätze meiner Schuhe seien zu hoch“, sagt er mit einem Seitenhieb gegen Rivalen, die ihn seines modischen Schuhwerks wegen als Salonlöwen madigzumachen versuchten. „Sie sagten, ich sollte mich in die Reihe stellen und warten, bis ich dran sei.“
Bei den Demokraten ist es Bernie Sanders, der linke Senatsveteran aus Vermont, der de facto triumphiert, auch wenn er sich Hillary Clinton nominell mit hauchdünnem Abstand geschlagen geben muss. „Leute, seid ihr bereit für eine total radikale Idee?“, spielt er ironisch schmunzelnd auf sein Leitthema an. „Wollt ihr eine Wirtschaft aufbauen, die für arbeitende Familien funktioniert, nicht nur für die Milliardärsklasse?“
Doch es ist Entzauberung Trumps, die alles in den Schatten stellt. Am Montagabend hatte sie sich bereits im Kleinen abgezeichnet, bei einem Caucus in einer Shoppingmall in Davenport: draußen Leuchtreklame für Fernseher und Bud-light-Bier, drinnen ein Organisator, der improvisieren muss. Eine Viertelstunde vor Beginn ahnt Scott Lindholm, der ortsansässige Republikaner, der das Procedere im Wahlkreis 84 leitet, dass der Andrang alle Rekorde brechen wird. Mit 125 Wählern, maximal, hat er gerechnet; 199 werden es schließlich sein.
die Die vorbereiteten Stimmzettel reichen nicht, sodass eilends große Bögen pinkfarbener Pappe zu handlichen Kärtchen zerschnitten werden. Stimmzettel aus Verlegenheit.
Bevor es ans Wählen geht, darf ein letztes Mal geworben werden, aber nicht länger als zwei Minuten pro Rede und Kandidat. Ein Teenager mit Pickeln, der eine kleine Laudatio auf Donald Trump hält, hört sich an wie ein gelehriger Schüler des Immobilienmoguls. Ein Versicherungsmakler bricht dann eine Lanze für Rubio, den er mit Ronald Reagan vergleicht. „Jemand muss uns Amerikaner wieder zusammenbringen.“
Für Jeb Bush legt sich eine Frau aus der Hotelbranche ins Zeug: „Wer einen Berufsredner braucht, der soll einen Berufsredner bestellen, die Burschen kann man bekanntlich buchen. Jeb aber steht für Handlungsanleitungen – und nicht für Wortgirlanden.“
Nach knapp zwei Stunden steht das Resultat fest. Rubio gewinnt mit 80 Stimmen, Trump (34) wird Dritter, Bush (11) Fünfter. Im gesamten Bundesstaat kommt der Mann, auf dessen Postern nur ein knappes „Jeb!“steht, auf gerade einmal drei Prozent. Einst der Favorit, ist er der fast schon bemitleidete Verlierer.
Als Bush an den Start ging, stritt die Republik noch darüber, ob sich die Macht politischer Dynastien mit ihrem Gründungscredo vertrage und ob ein dritter Bush im Oval Office sitzen sollte. Nun stellt sich die Frage, wann Bush der Dritte das Handtuch wirft. Tags zuvor hat der Exgouverneur Floridas in der Elk’s Lodge noch engelsgeduldig jeden Wunsch nach einem Selfie mit ihm erfüllt.
Nur manchmal ehrlich
Ich liebe Iowa, vielleicht kaufe
ich mir hier einmal eine Farm.
An die 100 Menschen haben sich versammelt, und während Bush den Saal durchquert, schüttelt er jedem, wirklich jedem, die Hand. Ein Vietnam-Veteran erzählt von seiner Zeit als Kriegsgefangener. Auch er tönt, verspricht, redet mit wildfremden Menschen, als seien es alte Freunde. Wahlkampf eben. Nur manchmal sagt er offen und ehrlich, dass auch ein US-Präsident nicht allmächtig ist. Da wirkt er wie der Anti-Trump. Der hätte auf eine solche Frage vielleicht geantwortet, dass unter ihm alles großartig werde.
Im Sheraton hat Trump seine Schlappe nach zwei Redeminuten verbal abgehakt, in der dritten klingt er schon wieder großspurig: „Es gibt da diese brandaktuelle Umfrage: Nach der liege ich mit 28 Punkten Vorsprung vor allen anderen.“