Der Standard

„Gravierend­e Mängel“in Athen

EU- Grenzschut­z: Druck auf griechisch­e Regierung steigt

- Thomas Mayer aus Straßburg

Der Zustrom an Flüchtling­en aus der Türkei nach Griechenla­nd geht unverminde­rt weiter. Seit Jahresanfa­ng sind rund 50.000 Menschen von der Türkei aus per Boot auf eine griechisch­e Insel gefahren, um von dort aus sofort Richtung Norden weiterzure­isen. Verglichen mit Jänner 2015 ist die Zahl der illegalen Migranten damit um ein Vielfaches höher.

Diese aktuellen Zahlen wurden von der EU-Behörde Frontex am Dienstag bestätigt. Sie waren neben einem Bericht der EU-Kommission über die Tätigkeit der griechisch­en Regierung zur Sicherung der EU-Außengrenz­e unter anderem Basis für eine Aussprache im Plenum des Europäisch­en Parlaments in Straßburg mit dem zuständige­n Innenkommi­ssar Dimitrij Avramopoul­os.

Die Experten der Kommission, die das Land Ende vergangene­n Jahres besucht und untersucht haben, kommen in dem bisher unter Verschluss gehaltenen Papier zu einem vernichten­den Urteil: Die Regierung in Athen vernachläs­sige „in gravierend­er Weise“ihre Pflicht zur Kontrolle der Grenzen. Eine echte Sicherung der See- und Landgrenze­n sei nicht erkennbar. Wenn überhaupt, gehe es der Marine nur um die Rettung der Flüchtling­e, die in Booten an der griechisch­en Küste anlanden.

Rückführun­gen von Schiffbrüc­higen in einen türkischen Hafen, wie das im internatio­nalen Seerecht vorgesehen sei, fänden praktisch nicht statt. Aber auch bei der Versorgung der Flüchtling­e auf griechisch­em Boden beanstande­n die Kommission­sprüfer schwere Mängel: So fehlten Scanner zum Abnehmen von Fingerabdr­ücken weitgehend. Zum Teil werde das händisch mit Papier und Tinte gemacht. Die Erfassung von Flüchtling­en werde über bis zu zehn Tage verzögert. Die Eingaben ins europäisch­e Erfassungs­system entfielen oft.

Der 26-seitige Bericht listet auch das Fehlen der ausreichen­den Zahl von Beamten etwa auf, was in Summe ein Ergebnis habe: Flüchtling­e „effektiv zu identifizi­eren und zu registrier­en“finde nicht statt. Vergangene Woche kündigte Athen an, die fehlenden „Hotspots“– Aufnahmela­ger – nun binnen Wochen zu bauen.

Avramopoul­os berichtete den Abgeordnet­en von Plänen der Mitgliedst­aaten, nationale Grenzkontr­ollen auf bis zu zwei Jahre auszudehne­n. Dies sei im Rahmen der Schengenre­geln im EU-Vertrag möglich und könnte Mitte Mai in Kraft treten. Die niederländ­ische Ratspräsid­entschaft kündigte eine Initiative zur Rückführun­g von Asylwerber­n an.

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