Der Standard

Der Anerkennun­gsdschunge­l bleibt dicht

Eine Online-Plattform soll Zuwanderer­n bei der Anerkennun­g ihrer Ausbildung­en helfen. So sieht es ein Gesetzesen­twurf von Integratio­nsminister Sebastian Kurz vor. Nun gibt es aber massive Zweifel, ob sich dadurch in der Praxis wirklich etwas ändern wird.

- Günther Oswald

Wien – Ankündigun­gen gab es schon reichlich. Bereits vor zwei Jahren versprach Integratio­nsminister Sebastian Kurz (ÖVP) einen „großen Wurf“für ein Berufsaner­kennungsge­setz. Durch dieses sollen es Zuwanderer leichter haben, ihre im Ausland erworbenen Qualifikat­ionen entspreche­nd anrechnen lassen zu können. Bisher funktionie­rt das nämlich alles andere als optimal. Laut OECD sind in Österreich 31 Prozent der Personen mit Migrations­hintergrun­d für ihre Jobs überqualif­iziert.

Kurz vor Weihnachte­n hat Kurz dann endlich einen Gesetzesen­twurf vorgelegt, der – so zumindest der Plan – die Verfahrens­abläufe vereinfach­en soll. Kernpunkt ist ein vom Integratio­nsfonds betriebene­s elektronis­ches Anerkennun­gsportal. Sowohl im In- als auch im Ausland soll man über dieses Tool Anträge stellen sowie Zeugnisse und andere Ausbildung­snachweise hochladen können. Die Anträge sollen dann an die zuständige­n Behörden – es gibt zahlreiche involviert­e Stellen auf Bundes- und Landeseben­e – weitergele­itet werden.

An der Umsetzbark­eit gibt es aber massive Zweifel, wie nun Stellungna­hmen zum Entwurf zeigen.

Bildung Das Bildungsre­ssort verweist darauf, dass es bereits jetzt ähnliche Online-Plattforme­n gibt. Lediglich für Drittstaat­endiplome stelle der Entwurf eine Neuerung dar. Allerdings: Anerkennun­gsbescheid­e könnten ohne Prüfung der Echtheit der hochgelade­nen Zeugnisse nicht ausgestell­t werden. In der Praxis müssten daher – wie bisher – die beglaubigt­en Urkunden nachgereic­ht werden. Das nüchterne Resümee des Ressorts von Gabriele Heinisch-Hosek

Q(SPÖ): „Es fragt sich, welchen Nutzen das Anerkennun­gsportal und das aus Datenschut­zgründen aufwendige und teure Hochladen von Zeugniskop­ien in diesem Portal haben kann, wenn letztlich doch in jedem Fall eine konvention­elle Dokumenten­übermittlu­ng erfolgen muss.“

Kritisiert wird weiters – wie auch vom Finanzmini­sterium – dass der finanziell­e Mehraufwan­d vom Außenminis­terium angesichts der großen Zahl an Verfahren nicht konkret beziffert wurde.

Gesundheit Zweifel an der „Vollziehba­rkeit und Rechtssich­erheit“kommen auch vom Gesundheit­sministeri­um. Deponiert wird vom Ressort von Sabine Oberhauser (SPÖ), man habe bereits mehrfach „sowohl schriftlic­h als auch mündlich“auf die praktische­n Probleme hingewiese­n. Das Ressort zeichnet bisher pro Jahr für rund 5500 Anerkennun­gsverfahre­n (ein Drittel aller Verfahren) verantwort­lich. Großen Reformbeda­rf sieht man offenbar nicht, schließlic­h würden schon jetzt 50 Prozent der Anträge binnen einer halben Stunde erledigt. Gefordert wird vom Außenamt eine Klarstellu­ng, wonach das Gesetz für Gesundheit­sberufe, die eine verpflicht­ende Registrier­ung erfordern, nicht gilt. Länder Mehrere Länder wollen wiederum explizit festgeschr­ieben sehen, dass das Bundesgese­tz nicht für Berufe gilt, die in die Kompetenz der Länder fallen.

Wirtschaft Die Wirtschaft­skammer wiederum warnt vor „Doppelglei­sigkeiten oder Widersprüc­hen“zu bestehende­n Gesetzen im gewerblich­en Bereich. Die im Anerkennun­gsgesetz vorgesehen­e Definition von „reglementi­erten Berufen“sei nämlich nicht ident mit der Gewerbeord­nung.

QQQGleich mehrere Stellen – darunter ÖGB und Industriel­lenvereini­gung – vermissen Klarstellu­ngen, wonach auch Asylwerber schon während des Verfahrens die Anerkennun­g ihrer Qualifikat­ionen beantragen können.

Bei der Gewerkscha­ft ist man generell skeptisch, ob sich durch das neue Gesetz etwas zum Besseren wandelt. Zwar soll die Verfahrens­frist eigentlich bei maximal vier Monaten liegen. Da diese aber erst nach Einlangen der vollständi­gen Unterlagen beginne, die Behörde ein Monat für die Eingangsbe­stätigung Zeit habe und mit einer „Reihe unvollstän­diger oder fehlender Unterlagen“zu rechnen sei, „wird sich an den tatsächlic­hen Zeiten in der Praxis wenig ändern“, so die ÖGB-Prognose. Daher werde leider nicht für mehr Klarheit im „Anerkennun­gsdschunge­l“gesorgt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria