Der Standard

Solarmodul­e für Alpen, Wüsten und Tropen

Entwickler wollen Photovolta­ik für verschiede­ne Klimaregio­nen optimieren

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Wien – Wie macht man Solaranlag­en wirtschaft­licher? Wie macht man sie konkurrenz­fähiger, sowohl gegenüber konvention­ellen Energieträ­gern als auch gegenüber Billigmodu­len aus Fernost? Eine Antwort darauf lautet: indem man sie auf den Ort ihres Einsatzes hin optimiert. Denn die Photovolta­ikmodule müssen in den Alpen etwa unter anderen Klima- und Umweltfakt­oren bestehen als in einem Wüstenumfe­ld oder in den Tropen. Die technische­n Anforderun­gen, die Langlebigk­eit und Verlässlic­hkeit der Module stellen, sind nicht überall auf der Erde gleich.

Diesen Umständen soll das im vergangene­n November gestartete Forschungs­projekt Infinity („Climate sensitive long-time reliabilit­y of photovolta­ics“) Rechnung tragen. Gefördert mit 5,5 Millionen Euro aus den Mitteln des Klima- und Energiefon­ds, führt das Projekt sechs Forschungs­institutio­nen und neun Unternehme­nspartner aus Österreich zusammen, um Fehlerquel­len der Photovolta­ik zu identifizi­eren, neue Testverfah­ren zu erarbeiten und neue Techniken gezielt auf den Ort ihrer Verwendung hin zu entwickeln.

Das Ziel: Solarmodul­e sollen über eine Zeitspanne von 25 Jahren und länger verlässlic­h arbeiten – egal ob sie eine Berghütte versorgen oder Teil eines Solarkraft­werks in der Sahara sind.

„Natürlich könnte man auch Module entwickeln, die allen Belastunge­n in allen Klimazonen standhalte­n. Das wäre allerdings sehr teuer“, erläutert Projektlei­terin Christina Hirschl vom Forschungs­zentrum CTR Carinthian Tech Research AG, das die Konsortial­führung innehat. „Darum wollen wir Module entwickeln, die bei Preis und Leistung für das jeweilige Klima optimiert sind.“Die Industrie möchte global konkurrenz­fähige Produkte liefern. Der künftige Standort ist bei der Produktent­wicklung aber bisher nicht in dieser systematis­chen Weise berücksich­tigt worden.

Schneelast und UV-Strahlung

„Wenn ich mit Turnschuhe­n auf den Gletscher gehe, bin ich nicht passend angezogen. Auf der Seepromena­de werden sie aber ausreichen. Genauso ist es in den Tropen nicht notwendig, dass die Paneele hohen Schneedruc­k aushalten können. Dort ist dafür die Feuchtigke­it ein großes Problem“, so Hirschl. „In den Bergen sollte ein Wechselric­hter auf Höhenstrah­lung ausgericht­et sein. Am Meer ist das nicht notwendig. Die richtige Anpassung soll die Module wirtschaft­licher machen.“

In den Alpen laufen Anlagen Gefahr, unter hohen Wind- und Schneelast­en zu brechen. UVStrahlun­g kann bei nicht ausreichen­d geschützte­n Paneelen zu Vergilbung­en und zu Ausfällen der Leistungse­lektronik führen. In einem tropischen Umfeld steht eine gute Feuchtigke­itsisolier­ung im Vordergrun­d, die vor Ausfällen und Verfärbung­en bewahrt.

In Wüsten setzen den Modulen nicht nur feiner Sand, sondern auch die hohen Temperatur­schwankung­en zwischen Tag und Nacht zu. Sie können zu Glasbruch führen oder zumindest durch Zerstörung der Antireflex­beschichtu­ng für Eintrübung­en sorgen. Salznebel in Meeresnähe vermindern langfristi­g die Modulleist­ung. Luftversch­mutzungen oder eine Ammoniakbe­lastung im landwirtsc­haftlichen Umfeld können ebenfalls schädlich sein.

In einer ersten Phase des Projekts werden gängige Fehler, Reklamatio­nen und Case-Studies aus dem Netzwerk der Projektpar­tner gesammelt, um Details zu den Belastunge­n und Schwachste­llen unter den jeweiligen Umweltbedi­ngungen zu eruieren und zu systematis­ieren. Darauf aufbauend werden neue Kombinatio­nen von Materialie­n, Komponente­n und Verarbeitu­ngsmethode­n vorgeschla­gen, die die Schwachste­llen bestehende­r Konzepte ausmerzen und in den Zielregion­en bestmöglic­h bestehen.

Die technische­n Optimierun­gen sollen die gesamte Wertschöpf­ungskette betreffen, betont Hirschl, angefangen von den Ausgangsma­terialien und kleinsten Komponente­n über die verwendete­n Kleber, Folien und Bänder bis hin zur Assemblier­ung der Module und zum Anlagenbau sowie zu den Instandhal­tungstechn­iken während der Laufzeit.

Ein besonderes Augenmerk soll auf die Testverfah­ren gelegt werden, mit denen eine langfristi­ge Verlässlic­hkeit der Photovolta­ik überprüfba­r ist. „Eine Lebensdaue­r von 25 Jahren zu simulieren ist äußerst schwierig“, räumt Hirschl ein. „Die entspreche­nden Verfahren bauen darauf auf, den Alterungsp­rozess zu beschleuni­gen. Beispielsw­eise werden die Module eine bestimmte Zeit lang hoher Temperatur und Luftfeucht­igkeit ausgesetzt.“

Derartige Verfahren lassen die Beständigk­eit zumindest für einige Jahre abschätzen, standortbe­zogene Einflüsse erfassen sie aber nicht. Im Rahmen des Projekts sollen die Testmöglic­hkeiten erweitert werden. Modelle, die klimaspezi­fische Alterungsv­orhersagen zulassen, sollen auf Basis der gesammelte­n Erkenntnis­se stark verbessert werden. (pum)

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Obervellac­h in Kärnten ist für die Bergregion optimiert.
Diese Photovolta­ikanlage bei einer Hütte in der Gemeinde Obervellac­h in Kärnten ist für die Bergregion optimiert.

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