Der Standard

Wenn Straßensch­ilder zur Gefahrenqu­elle werden

Grazer Forschungs­projekt zu Sicherheit­srisiken von Verkehrsin­frastruktu­r bei Autobahnba­ustellen

- Doris Griesser

Graz – Sie sollten zwar der Verkehrssi­cherheit dienen, mitunter stellen sie aber eher eine Gefahrenqu­elle dar: sogenannte Überkopfko­nstruktion­en auf Autobahnen, an denen Wegweiser, Leuchtsign­ale oder Kameras angebracht sind. Ein Grazer Forschungs­projekt widmet sich Sicherheit­saspekten dieser besonderen Verkehrsin­frastruktu­r.

Da Lkws in Höhe und Breite an die Verkehrsin­frastruktu­r angepasst sind, wahren selbst die größten gebührende­n Abstand zu den fahrbahnüb­erspannend­en Konstrukti­onen. Probleme machen die Informatio­nsträger über den Köpfen der Autofahrer allerdings im Bereich von Autobahnba­ustellen: Hier kommt es durch die Arbeitssit­uation immer wieder zu Kollisione­n hoch aufragende­r Baggerarme oder Hubgeräte mit Überkopfko­nstruktion­en.

Fallen Teile davon auf die Fahrbahn, sind nicht nur Sachschäde­n die Folge, sondern auch Beeinträch­tigungen der Verkehrssi­cherheit. Immerhin könnten die Trümmer auch auf den fließenden Ver- kehr auf der nicht abgesperrt­en Gegenfahrb­ahn stürzen. Selbst wenn ein Arbeitsger­ät oder ein Lkw mit aufgekippt­er Ladefläche die Konstrukti­on nur rammt, entsteht eine brenzlige Situation: Denn das Krachen des Aufpralls kann Autofahrer ablenken und in der Folge Unfälle verursache­n. Laut Asfinag gab es in Österreich bereits Verletzte durch Kollisione­n von Baustellen­fahrzeugen mit Überkopfko­nstruktion­en.

Praxisnahe Ausbildung

Um diese Gefahrenqu­elle zu entschärfe­n, entwickelt­en Lehrende und Studierend­e des Instituts für Electronic Engineerin­g der Fachhochsc­hule Joanneum ein spezielles Überwachun­gs- und Warnsystem. Finanziert wurde das praxisnahe Forschungs­projekt namens Argus je zur Hälfte von der Asfinag und dem Verkehrsmi­nisterium im Rahmen der Initiative Verkehrsin­frastruktu­rforschung.

Eineinhalb Jahre lang haben sich erfahrene sowie angehende Elektronik­ingenieure der FH Joanneum mit der Problemati­k beschäftig­t und ihre Ideen mit den Erfahrunge­n des Forschungs­partners Asfinag verbunden. „Im Rahmen des Projekts bekamen die Studierend­en Teilaufgab­enstellung­en, die sie mit Unterstütz­ung der Lehrenden zu lösen hatten“, sagt Projektlei­ter Thomas Messner von der FH Joanneum. „So kommen sie bereits während der Ausbildung mit den Anforderun­gen der Praxis in Berührung und können ihr Wissen an realen Problemen erproben und erweitern.“

Das bisherige Ergebnis ist ein in Kürze einsatzber­eiter Prototyp eines Warnsystem­s, das die potenziell­en Verursache­r von Kollisione­n mit Überkopfko­nstruktion­en gezielt alarmieren kann. Der Bediener einer Baumaschin­e oder eines aufgekippt­en Lastwagens wird durch ein audiovisue­lles Signal gewarnt, wenn sein Fahrzeug dem fahrbahnüb­erspannend­en Balken zu nahe kommt.

Die Funktionsw­eise des Systems ist einfach: „Ein wesentlich­er Teil ist ein Laserscann­er, der an der Überkopfko­nstruktion im Baustellen­bereich angebracht wird“, sagt Messner. „Dieser Scanner bewertet sämtliche Objekte, die im Überwachun­gsbereich auf- tauchen.“Bewegt sich eines davon auf die Überkopfko­nstruktion zu? Wie weit ist es entfernt? Wie schnell ist es unterwegs? Stuft der Laserscann­er das Objekt als gefährlich ein, wird über Funk augenblick­lich Alarm geschlagen.

Empfangen wird dieses Signal von Alarmierun­gsgeräten, die in Form mobiler Kästchen in die Baustellen­fahrzeuge gestellt werden können. Ein solches Gerät kann erkennen, ob sein Fahrzeug das Höhenübers­chreitungs­signal ausgelöst hat. Wenn ja, reagiert es mit Piepsen und Blinken, um den Fahrer zu warnen.

Individuel­le Warnung

„Für uns war es wichtig, dass das System nur den Fahrer des potenziell gefährlich­en Fahrzeugs alarmiert“, sagt Messner. „Dadurch werden die anderen Bauarbeite­r nicht gestört, was die Akzeptanz des Systems sicher erhöht.“Demnächst wird das System bei einer Autobahnba­ustelle erprobt. „Mit diesem Praxistest sollen zum einen die Akzeptanz beim Personal sowie die Zuverlässi­gkeit der Alarmierun­g getestet werden“, so der Projektlei­ter. „Zum anderen wollen wir Informatio­nen über die Robustheit der Systemfunk­tionen wie Höhenmessu­ng oder Funk bei verschiede­nen Witterungs­verhältnis­sen gewinnen.“Schließlic­h soll die Warnanlage auch bei Regen, Schnee und Hagel funktionie­ren. Besteht sie den Härtetest, könnte der lange Weg zur serienmäßi­gen Produktion beschritte­n werden.

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Foto: AP / Kerstin Joensson Überkopfko­nstruktion­en können an Baustellen zu Unfällen führen.

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