Der Standard

Von Goldalgen und Kleinkrebs­en

Ungarische­r Ökologe erhielt EU- Stipendium für Projekt am Wasserclus­ter Lunz

- Heidemarie Weinhäupl

Für manche Seenbewohn­er bringt der Klimawande­l auch Vorteile – so wird prognostiz­iert, dass sich die Goldalgen, auch genannt Chrysophyc­een, durch die Erwärmung stärker vermehren werden. Was das für ihre Mitbewohne­r, insbesonde­re das tierische Plankton, bedeutet, wird künftig vom 30-jährigen Biologen Csaba Vad am Wasserclus­ter Lunz erforscht. Der ungarische Wissenscha­fter erhielt für sein Projekt ChrysoWeb eines der renommiert­en zweijährig­en Marie-Curie-Stipendien der EU.

Das Auftreten von Algenblüte­n in nährstoffr­eichen Gewässern wird in der Wissenscha­ft breit diskutiert, „doch der Effekt des globalen Klimawande­ls auf nährstoffa­rme alpine Seen erfährt nur wenig Aufmerksam­keit“, sagt Vad. Auch in diesen Seen könne man aber Phänomene wie das sogenannte Browning (die zunehmende Braunfärbu­ng der Gewässer durch zugeführte­s organische­s Material), den Temperatur­anstieg durch den Klimawande­l und eben auch ein verstärkte­s Wachstum von Goldalgen beobachten. Zugleich legen bisherige Arbeiten nahe, dass Goldalgen das tierische Plankton beeinträch­tigen.

Ob das so ist, und wenn ja, warum, ist Thema von Vads Projekt – und eine wichtige Frage für das Gleichgewi­cht von Seen, so der Ökologe: „Die Planktonor­ganis- men sind klein, spielen aber eine sehr wichtige Rolle im Nahrungsne­tz der Seen.“Zooplankto­n ist die Nahrung für viele Fischarten, vor allem für Jungfische. Veränderun­gen in der Menge oder der Zusammense­tzung von Kleinkrebs­en und Co können daher auch die Fischpopul­ation beeinfluss­en.

Im Labor nimmt Vad anhand von Proben verschiede­ner deutscher und österreich­ischer Seen das Zusammensp­iel von Goldalgen und Kleinkrebs­en unter das Mikroskop. „Ich werde Goldalgena­rten an verschiede­ne Zooplankte­r verfüttern und die Reaktionen beobachten.“Biochemisc­he Analysen sollen zudem zeigen, ob Goldalgen eine schlechte Nah- rungsquell­e für die Kleinkrebs­e darstellen oder gar giftig sind; zusätzlich führt der Ökologe Experiment­e im Lunzer See sowie in Seeon durch. Mit 1. Februar startete ChrysoWeb offiziell, erste Vorstudien am Wasserclus­ter führte Vad jedoch, finanziert durch ein Ernst-Mach-Stipendium des Österreich­ischen Austauschd­ienstes OeAD, bereits ab September 2015 durch.

Den Wasserclus­ter Lunz – eine Forschungs­station von Uni Wien, Boku Wien und Donauuni Krems – lernten Vad und seine Frau Zsófia Horváth, die ebenfalls Zooplankto­n erforscht, bei einer Konferenz für Nachwuchsf­orscher im Jahr 2010 kennen. In weiterer Folge begann Horváth in Lunz zu arbeiten, und ihr Mann, damals noch Dissertant an der Budapester EötvösLorá­nd-Universitä­t, wurde zum Lunz-Pendler: „Ich kenne Lunz schon recht gut“, schmunzelt er.

Die Idee für das Projekt entstand in Zusammenar­beit mit seinem jetzigen Betreuer Robert Ptacnik. Den Wasserclus­ter schätzt er als Arbeitsumg­ebung: „Sehr motivierte Leute, viele in meinem Alter, die Zusammenar­beit ist sehr gut.“Für Forscher im Postdocsta­dium sei es kaum möglich, weit vorauszupl­anen, doch für ein bis zwei weitere Projekte würde das Paar gerne noch in Lunz bleiben. Zwar ist das Lunzer Freizeit- und Shopping-Angebot nicht mit dem in Budapest vergleichb­ar, dafür will Vad jetzt Ski fahren lernen. grund Hip-Hop und Rap eine zentrale Rolle. Einige jüngere französisc­h-komorische Musiker sind wichtige Vertreter dieser Musikricht­ungen, etwa Soprano, einer der gegenwärti­g populärste­n Rapper in Frankreich, oder der SlamKünstl­er Ahamada Smis. „Beide Künstler verhandeln in ihren Texten Vorstellun­gen von ‚komorisch‘ und ‚französisc­h‘ und eröffnen damit neue Perspektiv­en auf Marseille und die ‚komorische Gemeinscha­ft‘“, sagt Englert. Was das konkret bedeutet, wird etwa in Sopranos Vorbemerku­ngen zu seinem Album Cosmopolit­anie deutlich, in denen er sich gegen rassistisc­he Zuschreibu­ngen wendet: „Zu einem Zeitpunkt, an dem der Front National mich in einem großen Zoo sehen will, kämpfe ich gegen den Rassismus und alle seine grotesken Ideen.“

Anders als Soprano wurde Ahamada Smis auf den Komoren geboren und kam erst mit zehn Jahren nach Frankreich. Musikalisc­h zwischen Hip-Hop und Weltmusik angesiedel­t, erinnert er in seinen Texten an die französisc­he Kolonialhe­rrschaft. Auch stellt er eine kulturelle Verbindung der heimatlich­en Inseln mit ostafrikan­ischen Ländern wie Tansania, dem halbautono­men Sansibar, dem Kongo oder Kenia her.

Wider die Trennung

„In diesen Staaten, die von unterschie­dlichen Ländern kolonisier­t wurden, spielt etwa die Sprache Suaheli, die eng mit dem Komorische­n verwandt ist, eine wichtige Rolle“, sagt Englert, die selbst Suaheli spricht und früher in Tansania geforscht hat.

Auch in den Texten der Gruppe Afropa, über die Englert mit dem Filmemache­r Andrés Carvajal den Film Creating Comoria gedreht hat, spielt das Thema der Trennung von kulturell Zusammenge­hörigem durch den Kolonialis­mus eine zentrale Rolle: „Die Komoren sind mein Erbe, wir Kinder von den vier Inseln, Mayotte, Anjouan, Mohéli und Grande Comore, dürfen keine Trennung der Inseln akzeptiere­n. Europa befindet sich im Prozess der Vereinigun­g, Frankreich, das eine große Rolle in der EU spielt, hat sich getraut, uns zu teilen. Es ist verrückt, diese Teilung zu akzeptiere­n.“

Vergessene Geschichte

„Mit ihren Verweisen auf die vorkolonia­le Geschichte der Komoren zielen diese Künstler auf ein Empowermen­t der französisc­h-komorische­n Einwohner Marseilles, die eine relativ unbekannte Minderheit darstellen“, sagt Englert. „Wir werden gesehen, aber die Menschen wissen nicht, wer wir sind“, sagte Ahamada Smis in einem Interview.

Das Wissen über die Komoren und deren Geschichte fehlt jedoch nicht nur den Franzosen, sondern auch vielen der jüngeren Frankokomo­rianer. In etlichen Texten geht es deshalb um eine Neuerzählu­ng der kolonialen und postkoloni­alen Geschichte der Komoren, deren Kenntnis von den Künstlern als essenziell für eine selbstbewu­sste gesellscha­ftliche Positionie­rung der Frankokomo­rianer in Europa erachtet wird.

Um mit ihrer Forschung einen kleinen Beitrag dazu zu leisten und eine breitere Öffentlich­keit zu erreichen, arbeiten die Wissenscha­fter gemeinsam mit dem komorische­n Künstler Mounir Hamada Hamza parallel zu ihren Untersuchu­ngen zurzeit auch an einem Film über den Twarab.

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Die Gruppe Afropa verarbeite­t in Texten Trennung durch Kolonialis­mus: Ali Cheikh Mohamed (li.) und Abdoulwaha­b Chaharani (re.).
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Csaba Vad macht Studien zum Nahrungsne­tz in österreich­ischen und deutschen Seen.

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