Streit um strengere Prüfungen für die Prüfer
Als Lehre aus der Finanzkrise soll die Arbeit von Wirtschaftsprüfern in Österreich strikter reguliert und überwacht werden. Doch die Arbeiterkammer fürchtet, dass ein entscheidendes Gesetz verwässert wird.
Wien – Auf die österreichischen Wirtschaftsprüfer kommt heuer eine Reihe gesetzlicher Änderungen zu, so viel ist fix. Doch die genauen Modalitäten der neuen Regelungen sorgen für heftige Diskussionen zwischen den zuständigen Ministerien und Fachverbänden. Bei der Arbeiterkammer warnt man zudem, dass die einflussreichen Lobbyverbände der Branche die strikten EU-Vorgaben spürbar verwässern würden.
Die geplanten Reformen in Österreich gehen auf eine Initiative der EU zurück. Als Folge der Krise ist in den Augen der EU-Kommission klar geworden, dass die Bilanzprüfung von großen Banken ganz und gar nicht funktioniert hat. Allein im ersten Jahr nach Krisenausbruch 2008 haben EU-Staaten 4500 Milliarden Euro für Bankenhilfen und Garantien bereitstellen müssen. Dabei verfügten all die Pleiteinstitute über eine Bilanz, die zuvor von Wirtschaftsprüfern für in Ordnung befunden wurde. Auch in der Causa Hypo Alpe Adria wird oft gefragt, warum die Bilanzkontrolleure nicht besser hingesehen haben.
Auf europäischer Ebene einigte man sich 2014 nach zähen Verhandlungen auf eine Reform für die Branche, die von den großen vier, KPMG, PwC, Deloitte und Ernst & Young dominiert wird.
Bis Juni 2016 bleibt den Mitgliedsländern Zeit, die Vorgaben der Union umzusetzen. Das sorgt aktuell für Hektik in Österreich.
Als erster Schritt wurde nun vom Wirtschaftsministerium ein Gesetz in die parlamentarische Begutachtung geschickt, mit dem die Aufsicht über die Bilanzprüfer auf völlig neue Beine gestellt wird. Geplant ist die Errichtung einer weisungsfreien Bundesbehörde, die die Wirtschaftsprüfer beaufsichtigen soll. Die Behörde erhält dazu ein Budget in Höhe von drei Millionen Euro. Zu ihren zentralen Aufgaben wird die Inspektion von Bilanzprüfern gehören. Die EU schreibt vor, dass Abschlussprüfer alle drei Jahre inspiziert werden müssen. Diese Regel gilt für Bilanzkontrollore, die „Unternehmen von öffentlichem Interesse“prüfen. In diese Kategorie fallen Banken, Versicherungen und börsennotierte Konzerne.
Die neue Behörde soll Strafen von bis zu 500.000 Euro verhängen können, etwa wenn ihr gegenüber falsche Angaben gemacht werden. Das alles sind wesentliche Neuerungen. Aktuell gibt es schon ein Kontrollgremium für Bilanzprüfer. Diesem gehören aber in erster Instanz nur Branchenvertreter selber an – man prüft sich also gegenseitig. Die neue Aufsichtsstruktur ist „angemessen“, sagt Aslan Milla, Berufsgruppenobmann der Wirtschaftsprüfer.
Diskussionen gebe es mit der Regierung aber noch über die Fi- nanzierung: Im Entwurf ist vorgesehen, dass die Wirtschaftsprüfer die neue Behörde zu 80 Prozent über eigene Beiträge finanzieren, den Rest wird der Staat zahlen. Milla dagegen fordert eine höhere Beteiligung vom Bund.
Umkämpftes Gesetz
Umkämpfter ist ohnehin das zweite geplante Gesetz, das aktuell vom Justizministerium ausgearbeitet wird. In diesem soll die Rotationspflicht verankert werden. Worum es geht: Wirtschaftsprüfer werden von den Konzernen bezahlt, die sie kontrollieren. Kritiker sagen, dass dies dazu führt, dass die Bilanzprüfer nicht unabhängig arbeiten und auf Schwachstellen in Unternehmen aus Angst vor Sanktionen nicht hinweisen.
Um die Unabhängigkeit der Prüfer zu stärken, schreibt die EUVerordnung von 2014 vor, dass Banken, Versicherungen und börsennotierte Firmen ihre Prüfer alle zehn Jahre wechseln müssen. Mitgliedstaaten können kürze Fristen vorsehen oder die Zeiträume auf 20 bis 24 Jahre verlängern. Bei Banken und Versicherungen dürfte auf die Zehn-Jahres-Regel zurückgegriffen werden. Neben der Arbeiterkammer hatte in den Verhandlungen auch die Finanzmarktaufsicht darauf gedrängt. NachSTANDARD-Informationen will das Justizministerium bei börsennotierten Konzernen aber die 20Jahres-Frist ausnützen.
„Schon zehn Jahre sind ein langer Zeitraum, wir hätten uns weniger vorgestellt“, sagt Heinz Leitsmüller, zuständiger Experte bei der Arbeiterkammer. „Aber eine Rotationspflicht von 20 Jahren festzuschreiben ist völlig sinnlos. 20 Jahre entsprechen einem halben Berufsleben.“Eine so lan- ge Frist werde keine Verhaltensänderung in der Branche bewirken – „alles bleibt beim Alten“.
Die Wirtschaftsprüfer sehen das anders: „Wir waren gegen die Rotationspflicht, weil dies die Unabhängigkeit nicht stärkt“, sagt Aslan Milla. Aber wenn sie nun kommt, sollte man die Fristen so lang wie möglich wählen, um den Aufwand geringzuhalten. Herbert Houf, Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, fügt hinzu: Es brauche Zeit, bis sich ein Kontrollor eingearbeitet habe. Eine zu schnelle Rotation vorzusehen senke die Qualität der Kontrollen.
Prüfer und Berater in einem
Für Debatten dürfte auch eine weitere vom Justizministerium geplante Ausnahme sorgen. Europaweit hat es zuletzt heftige Debatten darüber gegeben, dass Wirtschaftsprüfer oft auch als Steueroptimierer tätig werden. 2014 sorgten auch die Enthüllungen über die Praktiken bei PwC in Luxemburg für zusätzliche Kritik. Die Berater hatten dutzenden Firmen zu lukrativen Steuerabsprachen mit den Behörden verholfen.
Die EU-Verordnung legt jedenfalls fest, dass ein Kontrollor nur mehr sehr eingeschränkt zugleich als Steuerberater tätig sein darf.
Doch die Nationalstaaten können diese Vorgabe lockern und vorsehen, dass Steuerberatung nur untersagt ist, wenn dies einen wesentlichen Einfluss auf die Bilanz hat. In Österreich ist dies bereits Gesetzeslage – und das soll unverändert so bleiben.
Die Arbeiterkammer legt bei der Reform auf noch eine Änderung viel Wert. Die EU-Regeln sehen vor, dass bei Firmen von öffentlichem Interesse ein Teil des Aufsichtsrates einen Zusatzbericht erhält. In diesem sollen die Wirtschaftsprüfer mögliche Probleme im Unternehmen darlegen und ihre Annahmen begründen. Das soll die interne Kontrolle stärken. Die AK verlangt, diese Zusatzberichte in allen größeren Firmen verpflichtend vorzuschreiben, also auch in jenen außerhalb der Börse. Die Prüfer sehen darin hingegen nur einen Mehraufwand für mittelständische Unternehmen.