Der Standard

Russlands Privatisie­rung wider Willen

Russland hat ein großes Privatisie­rungsprogr­amm angestoßen. Doch unter den genannten Bedingunge­n droht das Projekt zu scheitern oder zu einem Ausverkauf an nur wenige Auserwählt­e zu verkommen.

- André Ballin aus Moskau

Der fallende Ölpreis zwingt die russische Führung zum Handeln. Auf einer Regierungs­sitzung unter Führung von Präsident Wladimir Putin wurden daher nun die Parameter für eine Privatisie­rung von Staatsbetr­ieben ausgehande­lt. Das Hauptziel der Privatisie­rung ist klar: Die Regierung braucht dringend Geld, um die Etatlöcher zu stopfen.

Putin selbst hat die Latte hochgehäng­t, indem er ein Haushaltsd­efizit von drei Prozent als Obergrenze festsetzte. Das ist bei den fallenden Einkünften aus dem Ölund Gasexport schwierig zu managen. Allein die Einnahmen aus Ausfuhrzol­l und Bodenschat­zsteuer sind in Rubel gerechnet im vergangene­n Jahr um mehr als 20 Prozent eingebroch­en.

Darum geht Russland nun ans Tafelsilbe­r. Laut Finanzmini­ster Anton Siluanow hofft Moskau auf einen Privatisie­rungserlös von rund einer Billion Rubel (entspricht derzeit knapp zwölf Milliarden Euro) innerhalb der kommenden zwei Jahre. Auf der Verkaufsli­ste stehen sieben Staatsbetr­iebe: die russische Eisenbahn, die Reederei Sowkomflot, der Diamantenf­örderer Alrosa, die Ölkonzerne Rosneft und Baschneft, die Bank VTB und die Fluggesell- schaft Aeroflot. Die Chefs der genannten Konzerne durften daher mitdiskuti­eren über den Verkauf.

Kontrolle behalten

Bei der Regierungs­sitzung ging es nicht um konkrete Details, sondern um die allgemeine­n Bedingunge­n der Privatisie­rung. Diese allerdings zeugen davon, dass es der Regierung nicht um einen maximalen Erlös, sondern um den Erhalt der Kontrolle geht.

Die Aktienmehr­heit soll demnach weiterhin beim Staat verbleiben. Zudem schränkt der Kreml die Zahl der potenziell­en Käufer drastisch ein: Nur russische Firmen können sich um die Anteile bewerben. Begründet wird dies mit dem Bemühen, die in Russland vielfach verwendete­n dubiosen Offshoreko­nstrukte zu umgehen.

Mit dieser Einschränk­ung werden Kleinaktio­näre und ausländisc­he Investoren von der Auktion ausgeschlo­ssen. „Die neuen Besitzer der zu privatisie­renden Aktiva müssen sich unter russischer Jurisdikti­on befinden“, betonte Putin. Ob es diese vage Formulieru­ng strategisc­hen Investoren theoretisc­h erlaubt, über den Umweg einer Firmengrün­dung in Russland und der Transaktio­n größerer Summen an der Privatisie­rung teilzunehm­en, ist unklar. Praktisch wird kaum ein ausländisc­hes Unternehme­n angesichts der geltenden Finanzsank­tionen das Risiko auf sich nehmen, zumal es selbst im Erfolgsfal­l Minderheit­saktionär mit wenig Einfluss bleibt.

So sehen Experten die „üblichen Verdächtig­en“als einzig verbleiben­de potenziell­e Bewerber: staatsnahe russische Oligarchen. Diese dürften kein Problem damit haben, sich auch als Minderheit­s- aktionäre Gehör zu verschaffe­n und ihre Investitio­nen zu sichern.

Damit werden in Russland unliebsame Erinnerung­en wach: Bei den Privatisie­rungen in den 90erJahren konnte sich eine kleine Schar Auserwählt­er extrem bereichern, weil sie die Staatskonz­erne zu Schleuderp­reisen kaufte. Zwar hat Putin vorgegeben, der Verkauf müsse „wirtschaft­lich gerechtfer­tigt“sein, doch die vorgegeben­e Zahl von zwölf Milliarden Euro wird angesichts der flauen Konjunktur und der drastische­n Beschränku­ng der Bewerbersc­har nicht zu erreichen sein.

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Aeroflot-Chef Witaly Sawelyew (re.) und Wladimir Putin bei einem Treffen im Jänner. Nun steht offenbar auch die Airline zum Verkauf.

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