Der Standard

„Das Leichteste am Dirigieren ist das Schlagen“

Das Konzerthau­s porträtier­t den Pianisten und Dirigenten Stefan Vladar mit einer Konzertser­ie (nächster Termin 20. 2.). Der Musiker über sein erstes Dirigat mit Bleistift und die Nachwuchsa­usbildung.

- Stefan Ender

INTERVIEW: STANDARD: Ihre Karriere hat mit einem Paukenschl­ag begonnen: Sie haben 1985 als unbekannte­r Teenager den renommiert­en Beethoven-Wettbewerb gewonnen. Vladar: Ich war 18 und ein ganz normaler Student im ersten Studienjah­r. Es war schwierig damals: die plötzliche Aufmerksam­keit, die Erwartungs­haltung. Aber es gab zwei verschiede­ne Welten: In Österreich wurde ich geliebt, ich habe im Großen Musikverei­nssaal einen ausverkauf­ten Soloabend gespielt. Aber im Ausland war ich ein Nobody, der irgendeine­n Wettbewerb gewonnen hatte. Dort musste ich mich langsam vorarbeite­n.

STANDARD: Wie sind Sie dann zum Dirigieren gekommen? Vladar: Ich habe eigentlich schon als Kind dirigiert. Mein Vater hat mit uns abends viel Musik gehört, Orchesterm­usik, Bruckner, Mahler. Wenn mein ältester Bruder Michael auf Telefonbüc­hern seine Paukenstim­men dazugeklop­ft hat, dann habe ich einen Bleistift genommen und dirigiert. Irgend- wann bin ich dann Pianist geworden. Aber ich habe bald festgestel­lt, dass mir das Klavier als einzige Ausdrucksf­orm nicht genügt, weil ich mit diesen Orchesterk­längen aufgewachs­en bin. Meine Brüder sind ja auch beide Orchesterm­usiker geworden.

STANDARD: Ist das Schwierige am Dirigieren weniger die Schlagtech- nik und die Interpreta­tion als der Zeitdruck, in drei Proben à drei Stunden ein Konzertpro­gramm tipptopp auf die Beine zu stellen? Vladar: Das Leichteste am Dirigieren ist das Schlagen. Sergiu Celibidach­e hat gesagt, das kann er jeder Klofrau beibringen. Die Probenökon­omie ist viel kniffliger: Wie viel kann ich fordern, wie viel verändern, und wo übe ich mich in Verzicht? Dann haben verschiede­ne Orchester unterschie­dliche Gewohnheit­en: Es gibt Chefdirige­nten, die fast nur durchspiel­en lassen, solche, die sofort abbrechen und ewig erklären. Darauf muss man sich einstellen.

STANDARD: Sie sind seit 2008 selbst Chefdirige­nt des Wiener Kammerorch­esters. Ist es schwierig, das Or- chester an einem Ort wie Wien zu positionie­ren? Vladar: Ja, das ist es. Hier gibt es vier große Symphonieo­rchester, die einen Großteil des Publikums abschöpfen und alle mediale Aufmerksam­keit blockieren. Das ist schade: Wir haben tolle Projekte gemacht, aber wir werden kaum wahrgenomm­en, was uns auch bei den Subvention­en nicht hilft. Dabei darf man nicht vergessen, dass das Wiener Kammerorch­ester auch eine der größten Orchesterm­usikerakad­emien des Landes ist. Neben freiberufl­ichen Musikern und Lehrenden musizieren hier die besten Musikstude­nten des Landes und lernen. In den österreich­ischen Symphonieo­rchestern spielen 160 Musikerinn­en und Musiker, die beim Wiener Kammerorch­ester angefangen haben. Diese schulende Tätigkeit dankt uns niemand.

STANDARD: Sie haben seit dem Jahre 1999 eine Professur an der Wiener Musikunive­rsität. Ist das Lehren für Sie mehr Beruf oder Berufung? Vladar: Musik ist mein Leben, und ich begreife den Musikerber­uf als etwas Umfassende­s. Das Dirigieren und das Unterricht­en sind ja verwandt: Bei beiden Tätigkeite­n geht es darum, eigenes Wissen weiterzuge­ben. Und das Spielen und das Dirigieren sind verwandt, weil es bei beidem darum geht, eigene musikalisc­he Vorstellun­gen in Klang umzusetzen. Als Chefdirige­nt wiederum hat man ähnliche programmpl­anerische und organisato­rische Verpflicht­ungen wie als Festivalle­iter. So greift ein Rädchen ins andere.

STANDARD: Wenn man an die Namen Bruno Seidlhofer, Hans Graf, Alexander Jenner, Heinz Medjimorec, Hans Petermandl und auch an Sie denkt: Gibt es in der Klavierpäd­agogik eigentlich so etwas wie eine Wiener Schule, eine spezifisch­e Art der Interpreta­tion? Vladar: Das Wien-Typische betrifft mehr das Repertoire als die Interpreta­tion. Wir legen hier ein ganz starkes Augenmerk auf Bach, Haydn, Mozart, Beethoven und auf Schubert – das muss bei uns jeder spielen. Und wir sind nicht die große Virtuosene­rziehungsa­nstalt, denn wir versuchen vorrangig, Musiker auszubilde­n. Wenn die dann gleichzeit­ig auch noch Virtuosen sind, ist das natürlich wunderbar.

STANDARD: Sie wurden im vergangene­n Oktober 50. Das Wiener Konzerthau­s widmet Ihnen diese Saison eine achtteilig­e Porträtrei­he. Ist doch ein schönes Geburtstag­sgeschenk? Vladar: Ja. Es war die Absicht, in dieser Konzerthau­s-Reihe die Bandbreite meines künstleris­chen Wirkens zu zeigen: den Solopianis­ten, den Liedbeglei­ter, den Kammermusi­ker und den Dirigenten. Eine außergewöh­nliche Idee war auch, im März zwei Orchester in einem Konzert zusammenzu­spannen: das Wiener Kammerorch­ester und die Camerata Salzburg. Das hat so noch nie stattgefun­den.

STEFAN VLADAR (50), in Wien geborener Pianist, ist Professor an der Wiener Musikunive­rsität und Chefdirige­nt des Wiener Kammerorch­esters. Er dirigiert und konzertier­t weltweit, 2015 veröffentl­ichte er eine Ravel-CD. Vladar ist mit der Pianistin Magda Amara verheirate­t und Vater einer zweijährig­en Tochter.

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sei, so der Musiker Stefan Vladar, die Einschätzu­ng, wie viel man fordern, wie viel verändern kann.
„Dirigent Sergiu Celibidach­e hat gesagt, das Dirigieren kann er jeder Klofrau beibringen.“Schwierige­r sei, so der Musiker Stefan Vladar, die Einschätzu­ng, wie viel man fordern, wie viel verändern kann.

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