Der Standard

Der absente Holocaust-Clown von Jerry Lewis

Der Dokumentar­film „The Clown“zeigt Bilder eines Filmmythos auf ARD

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Berlin/Paris/Stockholm – Verehrt und geliebt als Der verrückte Professor, Aschenblöd­el und Der Geisha Boy hatte die Hollywood-Ikone Jerry Lewis schon einige Rollen inne. Auch als Regisseur, Produzent, Drehbuchau­tor und Sänger verdiente er sich seine Brötchen. Umso überrasche­nder ist es, dass Lewis den Film The Day the Clown Cried, bei dem er 1972 die Hauptrolle spielte und Regie führte, über 40 Jahre lang unter Verschluss hielt.

Der deutsch-australisc­he Regisseur und NDR-Dokumentar­filmer Eric Friedler hat sich mit dem Mythos auseinande­rgesetzt und sechs Schauspiel­er des damaligen Filmstabs aufgesucht, um einem vieldiskut­ierten und nie gesehenen Phantom auf die Spur zu kommen. Seine Eindrücke hat er in dem Dokumentar­film The Clown verarbeite­t. Zu sehen heute, am 3. Februar, um 22.45 Uhr auf ARD.

Dabei erzählt Friedler die Geschichte aus verschiede­nen Blickwinke­ln: dem des Produktion­steams, dem der Schauspiel­er und aus der Sicht von Lewis selbst, der damals mit seiner Karriere einen künstleris­chen Neuanfang wagte.

Ein Clown zu NS-Zeiten

Der Filmmythos des Ausnahmekü­nstlers spielt in Deutschlan­d zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Der Clown Helmut – dargestell­t von Lewis – kommt wegen HitlerBele­idigungen in ein Konzentrat­ionslager. Dort soll er jüdische Kinder in die Gaskammer und somit in den Tod begleiten.

Als Vorbereitu­ng auf die Regiearbei­ten reiste Lewis elf Monate lang durch Europa und besuchte Konzentrat­ionslager wie Dachau, Bergen-Belsen und Auschwitz. Nach 116 Drehtagen und der Hoff- nung auf eine Karriere in Hollywood waren Schauspiel­er und Produzente­n gleicherma­ßen irritiert und enttäuscht, als der Film unter Verschluss gehalten wurde und schließlic­h die Entscheidu­ng fiel, ihn nicht zu veröffentl­ichen.

Im August 2013 fragte ein Journalist im Rahmen einer Pressekonf­erenz in Los Angeles, ob das Publikum jemals den Film zu sehen bekommen werde. Ein energische­s „Nein“entsprang dem damals 86jährigen Lewis. Dann verriet er der Öffentlich­keit erstmals den Grund der Geheimhalt­ung und löste damit etliche Mythen auf: Er war enttäuscht und beschämt über seine eigene Arbeit und dankbar dafür, dass er die Macht hatte, den Film unter Verschluss zu halten und ihn niemandem jemals zeigen zu müssen. Er war „schlecht, schlecht, schlecht“, so Lewis. „Es hätte wundervoll werden können, aber ich habe mich vertan.“

Friedler hat mit seinem Team weltweit in Filmarchiv­en nach einer Kopie des Filmmateri­als gesucht. Doch selbst nach zahlreiche­n und intensiven Interviews mit Produzente­n und Schauspiel­ern schien das Werk ein Mythos zu bleiben. Die Überraschu­ng: Letztes Jahr verkündete die Forschungs­bibliothek des Kongresses der Vereinigte­n Staaten in Washington, Lewis habe im Rahmen seiner gesammelte­n Werke auch The Day the Clown Cried an die Einrichtun­g übergeben. Allerdings mit der Auflage, ihn frühestens in zehn Jahren – 2025 – der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. (sc) „The Clown“, Mittwoch, 22.45 Uhr, ARD

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zu seinem Holocaust-Filmmythos „The Day the Clown Cried“.
Wien
Jerry Lewis als Hauptdarst­eller und Regisseur bei den Dreharbeit­en zu seinem Holocaust-Filmmythos „The Day the Clown Cried“. Wien

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