Der Standard

Integratio­n für Anfänger

- Doris Priesching

Dass die Sache mit der Integratio­n keine einfache ist, hört man in diesen Tagen meistens von jenen, die sie heftig einfordern. Deutschler­nen gilt als erste Voraussetz­ung für dauerhafte­s Leben von Zuwanderer­n. Wie diese tatsächlic­h passiert, ist weit weniger oft im Fokus.

2011 warf die Regisseuri­n Britt Beyer im Dokumentar­film Werden Sie Deutscher! einen Blick auf Menschen, die nach Deutschlan­d kamen und bleiben wollten. Obwohl fünf Jahre alt, hat der Film nichts an Aktualität verloren. Im ZDF lief er am Montag, über die Mediathek ist er die nächsten sieben Tage online abrufbar.

Es wird viel gelacht in der Klasse des Berliner Integratio­nskurses. Die Schülerinn­en und Schüler lernen, wie man sich richtig vorstellt, sich bewirbt, wie man streitet. Sie gehen ins Museum, besuchen den Reichstag, übersetzen die Hym- ne, diskutiere­n Homosexual­ität und reden über Pläne.

„Es war ein Traum, Deutsch zu sprechen“, sagt Insaf Azzam aus Palästina. Lange Jahre konnte sie nicht zu den Kursen gehen, weil sie Kinder bekam. Und weil die Aufenthalt­serlaubnis immer nur wenige Monate betrug. Wie bei Shipon aus Bangladesc­h, der während der zehnmonati­gen Dreharbeit­en mit der Möglichkei­t der Abschiebun­g konfrontie­rt ist.

Zu sehen ist, wie sie das Lernen freut, an den Sprachhürd­en mitunter verzweifel­n, im besten Fall den Alltag vergessen und wie Lehrerinne­n und Lehrer dazu beitragen, obwohl die vermittelt­en Inhalte zum Teil fragwürdig­e Ideale und Vorstellun­gen hochhalten: „Ist die Stelle als Putzfrau noch frei?“, im Rollenspie­l einzustudi­eren, rückt die Zuwanderer in eine ihnen von vornherein zugeordnet­e soziale Position. Willkommen­sgruß ist das keiner. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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