Europa faschistisch-autoritär
In den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts war Europa überwiegend diktatorisch-autoritär regiert. In Deutschland herrschte das mörderische Hitler-Regime, in Italien der geringfügig weniger schlimme Mussolini-Faschismus, in Spanien nach einem schrecklichen Bürgerkrieg das katholisch-faschistische Franco-Regime und in Portugal die ganz ähnliche Salazar-Diktatur. In Österreich gab es den klerikal-autoritären Ständestaat, der bald vom Nationalsozialismus abgelöst werden sollte.
In Ost-und Südosteuropa überwogen rechtsnationalistische Regime der „starken Männer“: Horthy in Ungarn, Piłsudski in Polen, Metaxas in Griechenland. Autoritäre Regierungen gab es in Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien: alle nationalistisch, alle mehr oder weniger von völkischen Ideen („wahres Ungartum“, „wahres Polentum“, „wahres Griechentum“) besessen. An den Rändern gab es die totalitäre Sowjetunion des Massenmörders Stalin und das türkisch-nationalistische Regime von Atatürk.
Demokratisch waren Großbritannien, Frankreich, die Tschechoslowakei, die Schweiz und die skandinavischen und die Beneluxländer. eute erinnert manches an diese Zeiten der nationalistischen Verblendung. In einigen osteuropäischen EU-Mitgliedern wie Ungarn und Polen haben bereits rechtsnationalistisch-klerikale Parteien die Regierung übernommen und arbeiten hektisch daran, ihre intolerante, autoritäre und chauvinistische Position dauerhaft zu
Hverankern. In Kroatien sind starke nationalistische und demokratisch bedenkliche Kräfte an der Regierung.
In vielen Ländern drängen rechtspopulistische bis rechtsextreme Kräfte nach vorn, vor allem auch in jenen, die bisher immun schienen: in Frankreich, Großbritannien, Schweden, Dänemark, Belgien und den Niederlanden sowie in der Schweiz.
Bei denen, die bittere Erfahrungen mit rechten Diktaturen hatten, wie Österreich und Deutschland, sind entweder rechte Parteien fest etabliert oder im Aufstieg. An den Rändern sind Russland und die Türkei kaum mehr demokratisch zu nennen. Hier sind wieder die „starken Männer“am Ruder, und es ist kein Ende abzusehen. ie Entwicklung in Europa geht nach rechts – in manchen Bereichen an der Grenze zur Demokratie. Die Ursachen liegen in den großen Herausforderungen: Drohung einer neuen Wirtschaftskrise, Abstiegsängste in wohlausgebauten Sozialstaaten, Angst vor Überfremdung, besonders durch die Muslime.
Dazu kommt schwach ausgeprägter Lernfähigkeit: Rechte Rezepte haben historisch immer versagt oder meist sogar in den Abgrund geführt. Vielleicht sind auch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts und ihre Lehren zu weit weg. Von zwei Dingen kann man ausgehen: Der Faschismus wird nicht über Europa hinwegfegen wie seinerzeit. Aber, wenn es nicht sehr bald wirkungsvolle Gegenmaßnahmen gibt, wird es – auch und gerade in Österreich – zu sehr unangenehmen politischen Verhältnissen kommen. Und: Bis jetzt ist bei den Regierenden nicht sichtbar, dass sie ein Konzept dagegen hätten. hans.rauscher@derStandard.at
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