Der Standard

Libyens alte Garde will auch nicht aufgeben

Fünf Jahre nach der Abkehr von Diktator Muammar al- Gaddafi droht dem Land der Niedergang

- Astrid Frefel

Tripolis/Tobruk/Kairo – Es flogen gehässige Worte – und Wasserflas­chen. Hardcore-Anhänger des gestürzten Gaddafi-Regimes benutzten Diskussion­sevents bei der Kairoer-Buchmesse, um sich in Szene zu setzen. Fünf Jahre nach dem Beginn der „Revolution des 17. Februar“sind deren Unterstütz­er – wie etwa der Menschenre­chtsanwalt Hafez al-Ghoga und Ex-Innenminis­ter Ashour Showeil – für sie bloß Verräter und Handlanger der USA. In Ägypten lebt eine große Gemeinscha­ft von Libyern im Exil, für die es nur die SeptemberR­evolution von 1969 gibt, als Muammar al-Gaddafi Herrscher wurde. Ihr prominente­stes Sprachrohr ist Ahmed Mohammed Gaddaf Al-Dam, Cousin des Diktators. Gaddaf al-Dam kämpft dafür, dass die alte Garde auch eine Stimme im Shkirat-Abkommen erhält, das unter UN-Vermittlun­g im Dezember unterzeich­net wurde.

Nach dem Sturz der Diktatur ist es nicht gelungen, politische Institutio­nen aufzubauen; ein Prozess, der bei null angefangen werden musste, denn Gaddafi regierte mit einem bizarren, künstliche­n Gebilde aus Volksräten.

Viele bewaffnete Milizen nutzen nach Gaddafis Sturz 2011 das Vakuum, um nach und nach die Herrschaft zu übernehmen. In den vergangene­n Monaten haben sich auch Jihadisten des „Islamische­n Staates“(IS) in Sirte eingeniste­t. Ihr Ziel ist die Eroberung der nahe gelegenen Ölinstalla­tionen.

Das Erbe der Gaddafi-Diktatur spiegelt sich auch in der gesellscha­ftlichen Entwicklun­g des Landes wider. Der libysche Kolumnist Omar al-Kida schreibt etwa, die Gesellscha­ft sei immer noch geprägt von barbarisch­en Stammestra­ditionen; die soziale Struktur habe sich nicht entwickelt wie die Infrastruk­tur; und es gebe gewaltige Differenze­n zwischen den Stammesält­esten und den weltgewand­ten Trägern von Doktortite­ln.

Einfluss von Regionen

In dieser von Stämmen, Regionen und Ethnien geprägten Kultur gelang es in den vergangene­n fünf Jahren auch nicht, politische Parteien zu etablieren. Die unter UNVermittl­ung mehr als ein Jahr dauernden Bemühungen für eine Lösung der Krise sind geprägt von Streiterei­en um den Einfluss von Regionen und Stämmen.

Die tatsächlic­he oder vermeintli­che Nähe zum alten Regime hat in den vergangene­n Jahren aber auch immer eine zentrale Rolle gespielt. Im Gespräch in Kairo weist Hafez al-Ghoga, im Februar 2011 Mitglied des Nationalen Übergansra­tes, darauf hin, dass die Revolution anfangs von vielen ehemaligen Gaddafi-Gefolgsleu­ten angeführt und niemand ausgeschlo­ssen wurde. Erst die Durchsetzu­ng des Isolations­gesetzes habe zur Polarisier­ung geführt. Als Stärkung der alten Garde gilt auch der Aufstieg von General Haftar zum Armeechef in Tobruk.

Die Stellung von Haftar ist in diesen Tagen eine der wichtigste­n Hürden, an der die Umsetzung des Abkommens von Shikrat scheitern könnte. Fayaz al-Serraj, der designiert­e Premier einer Regierung der Nationalen Einheit, hat es bisher nicht geschafft, ein Kabinett zusammenzu­stellen, das vom Parlament in Tobruk abgesegnet wird; vor allem weil Haftars Loyalisten sich querstelle­n.

Mit Flaggen, Folkloresh­ows und Feuerwerk wird der Revolution­stag dennoch in vielen Städten gefeiert. Die Revolution habe auch viel Positives gebracht, unterstrei­cht Ghoga. Die vielleicht wichtigste Errungensc­haft: Meinungsfr­eiheit. Jeder in Libyen könne heute sagen, was er wolle.

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Foto: AFP / Mahmud Turkia Feststimmu­ng am Märtyrerpl­atz in Tripolis fünf Jahre nach Beginn der „Revolution des 17. Februar“.

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