Der Standard

Wo Gerichte Grenzen bei den Sozialleis­tungen setzen

Ein Überblick über Urteile und Bestimmung­en zur Frage, wann Flüchtling­e schlechter­gestellt werden dürfen

- Günther Oswald

An Ideen mangelt es derzeit nicht. Die ÖVP erneuert beinahe täglich ihre Forderung nach einer Kürzung der Mindestsic­herung für Flüchtling­e. Für die SPÖ plädierte Sozialmini­ster Alois Stöger zuletzt dafür, Flüchtling­en nur mehr dann Sozialleis­tungen zu gewähren, wenn diese in ihrem Bundesland bleiben, er ist also für eine Wohnsitzpf­licht.

Das Institut für Arbeits- und Sozialrech­t an der Uni Wien wurde von der Regierung beauftragt, zu prüfen, wo Flüchtling­e anders als einheimisc­he Bürger behandelt werden dürfen. Das Gutachten soll demnächst vorliegen. Freilich gibt es längst höchstgeri­chtliche Erkenntnis­se, die als Richtschnu­r gesehen werden können. Ein Überblick über die wichtigste­n Bestimmung­en und Urteile:

Konvention Die Genfer Flüchtling­skonventio­n verpflicht­et in Artikel 23 die unterzeich­nenden Staaten, dass „Flüchtling­en, die sich rechtmäßig auf ihrem Staatsgebi­et aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlich­en Fürsorge und sonstiger Hilfeleist­ungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsange­hörigen“gewährt wird.

EU Auch eine EU-Richtlinie regelt explizit, „dass Personen, denen internatio­naler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedst­aat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilf­e wie Staatsange­hörige dieses Mitgliedst­aates erhalten“.

Bei Asylberech­tigten gibt es also wenig Spielraum. Allerdings kann sehr wohl eine Ungleichbe­handlung von subsidiär Schutzbere­chtigten vorgenomme­n werden – also von Personen, die kein Asyl bekommen, aber trotzdem nicht abgeschobe­n werden dürfen.

Bei ihnen kann die Sozialhilf­e laut EU-Richtlinie „auf Kernleistu­ngen“beschränkt werden. Zwar gibt es auch hier die Einschränk­ung, dass diese Beschränku­ng „unter denselben Voraussetz­ungen wie für eigene Staatsange­hörige“zu gelten habe, allerdings gibt es bereits eine Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichtsh­ofes, was das für Österreich bedeutet.

Nur Grundverso­rgung

Er hat 2011 die burgenländ­ische Praxis für korrekt befunden, wonach subsidiär Schutzbere­chtigte nicht die Mindestsic­herung, sondern nur die niedrigere Grundverso­rgung bekommen. Erwachsene bekommen dabei 180 Euro für Verpflegun­g, 110 Euro für Miete und 40 Euro Taschengel­d. Diese Schlechter­stellung gibt es auch in Salzburg, der Steiermark – und seit kurzem auch in Niederöste­rreich.

Schwierige­r ist die Frage, ob Sozialleis­tungen an einen vorgegeben­en Wohnsitz gekoppelt werden dürfen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat im März 2016 ein Urteil gefasst, laut dem das bei subsidiär Schutzbere­chtigten nur unter bestimmten Voraussetz­ungen möglich ist.

Grundsätzl­ich hätten nämlich nicht nur anerkannte Flüchtling­e, sondern auch Personen mit subsidiäre­m Schutz ein Recht auf Bewegungsf­reiheit. Dieses könne auch nicht einfach mit dem Argument eingeschrä­nkt werden, der Staat wolle „eine angemessen­e Verteilung öffentlich­er Sozialhilf­elasten“erreichen. Hier dürfe es keine Ungleichbe­handlung mit Inländern oder Drittstaat­sangehörig­en, die Sozialhilf­e bekommen, geben.

Wann sind dann aber Wohnsitzau­flagen zulässig? Laut EuGH nur dann, wenn es bei subsidiär Schutzbere­chtigten in stärkerem Maß Integratio­nsschwieri­gkeiten gibt. Es müsse aber explizit geprüft werden, ob diese Probleme im Vergleich zu anderen NichtEU-Bürgern, die Sozialleis­tungen beziehen, größer seien.

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Foto: Christian Fischer Sozialhilf­e für Flüchtling­e? Darüber wird heftig diskutiert.

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