Prozessfinale im Fall Sawtschenko
Im Sommer 2014 wurden zwei russische Journalisten im Donbass durch Granaten getötet. Ein Gericht in Russland erklärte nun, die ukrainische Pilotin Nadia Sawtschenko habe deren Tod aus Hass verursacht.
Die ukrainische Kampfpilotin Nadia Sawtschenko wurde am Montag von einem Gericht in der südrussischen Region Rostow schuldig gesprochen. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass die Soldatin für den Tod zweier russischer Journalisten verantwortlich ist. Sie habe deren Tod „aus Hass absichtlich verursacht“. Der Richter begann am Montag damit, die Begründung zu verlesen – das Strafausmaß wird erst am Ende verkündet. Der 34-Jährigen drohen 23 Jahre Haft in einem Straflager. Das Ende der Urteilsverkündung wurde für den späten Montagabend oder für Dienstag erwartet.
Im Gerichtsgebäude verfolgten neben den Anwälten Sawtschenkos auch viele Unterstützer das Prozessende. Auch ihre jüngere Schwester Vera Sawtschenko war dabei – sie hat in den letzten zwei Jahren weltweit für die Freilassung Nadias gekämpft. „Wir wissen, dass wir in Russland keinen fairen Prozess und kein faires Urteil erwarten können, deshalb kämpfen wir weiter für die Freilassung Nadias“, sagte sie dem ukrainischen Fernsehen in einem Telefoninterview.
Offizieller Heldenstatus
Nadia Sawtschenko ist in ihrem Heimatland eine Nationalheldin. Präsident Petro Poroschenko hat ihr im vergangenen Mai die höchste Auszeichnung verliehen: Seit- dem hat sie auch offiziell einen Heldenstatus. Vor allem die EU und die USA hatten seit der Inhaftierung Sawtschenkos im Juni 2014 immer wieder versucht, bei den Machthabern in Moskau eine Freilassung zu erreichen. Noch am Wochenende hatte US-Präsident Barack Obama seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin in einem Telefonat gefragt, warum er Sawtschenko nicht freilasse. Die Position Moskaus hatte vor Monaten Außenminister Sergej Lawrow deutlich gemacht: Erst nach der Verurteilung werde sich der Kreml zur Personalie Nadia Sawtschenko äußern.
Und in der Tat: Beobachter in Kiew berichten, dass hinter den Kulissen bereits Gespräche zwischen Moskau, Kiew und Berlin laufen. Die deutsche Regierung spielt offenbar eine zentrale Rolle. Sawtschenkos Anwalt, Mark Fergin, der 2012 auch die Punk-Mu- sikerinnen von Pussy Riot vertreten hat, gab vergangene Woche bekannt, Präsident Poroschenko habe ihm mitgeteilt, dass „in Kürze“eine Ärztegruppe der Berliner Charité sich nach Rostow aufmachen werde.
Möglicher Austausch
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird am Mittwoch zu einem Besuch in Moskau erwartet, unter anderem will er über die Syrien-Friedensverhandlungen und über die Ukraine sprechen – auch das Thema Nadia Sawtschenko stehe an, sagte ein Diplomat, der nicht genannt werden will.
Ukrainische Medien berichten seit Wochen über einen möglichen Austausch Sawtschenkos gegen zwei russische Geheimdienstmitarbeiter, die seit geraumer Zeit in ukrainischer Haft sitzen. Die Kampfpilotin lehnt je- doch „jede Art von Deal ab“, wie sie selbst Anfang März während der Gerichtsverhandlung erklärte. Sie sei unschuldig, habe während der Kämpfe im Frühsommer 2014 „ihre Pflicht als Soldatin getan und mein Land verteidigt“.
In Kiew gibt es auch Stimmen, die befürchten, die als eigenwillig und „bisweilen ruppig“geltende Kampffliegerin könnte eine mühsam herbeigeführte Abmachung von Diplomaten zunichtemachen und sich am Ende sogar weigern, sich gegen russische Gefangene austauschen zu lassen.
Auf Nadia Sawtschenko wartet eine Strafe von 20 bis 23 Jahren Lagerhaft. Die sportliche Frau, die schon mehrere Hungerstreiks in den vergangenen zwei Jahren hinter sich hat, sagte: „Bevor ich in einem Lager in der russischen Provinz verrotte, sterbe ich – für mein Land, für die Freiheit und für die Ukraine“.