Der Standard

Ein Abschiedsb­rief an die „leuchtende Rose des Islam“

Der Grazer Jihadisten­prozess beleuchtet bisweilen auch das Innenleben einiger Moscheen in Österreich. So etwa den Umgang mit dem verbotenen IS-Symbol. Ein Linzer Imam befürworte­t, wenn „Menschen aus Europa nach Syrien fahren, um zu helfen“.

- Walter Müller

Graz – „Dass so etwas in Österreich möglich ist“, murrt der Staatsanwa­lt. Dass in einer öffentlich­en, islamische­n Privatschu­le in Wien junge Muslime „mit IS-Shirts herumlaufe­n, und das eine Woche nachdem der IS-Staat ausgerufen wurde, und kein Lehrer etwas dagegen sagt“, das wolle ihm nicht in den Kopf. Man solle sich vergegenwä­rtigen, was passiere, „wenn ein Schüler mit einem Hakenkreuz-Shirt in einer Schule herumgeht“.

Die 18 Jahre alte Zeugin beteuert: „Ich habe das nicht mitbekomme­n, ich weiß davon nix.“Sie habe mit ihm auch nie darüber gesprochen. Mit „ihm“meint sie den Burschen hinter ihr auf der Anklageban­k, ihren ehemaligen engen Schulfreun­d, der jetzt gemeinsam mit seinem älteren Bruder unter anderem wegen terroristi­scher Vereinigun­g angeklagt ist.

Das IS-Zeichen zieht sich durch den ganzen Verhandlun­gstag im Grazer „Jihadisten­prozess“. Es gehörte – noch bevor es 2015 verboten wurde – offenbar irgendwie zum Alltag in den Moscheen. Nichts Besonderes. Männer duellierte­n sich etwa bei Ringkämpfe­n mit IS-Shirts im Sportraum einer Linzer Moschee, die wiederum das Emblem der Terrormili­z sogar auf ihrer Homepage hatte. Davon weiß der Imam dieser Moschee aber nichts. Das IS-Symbol als Logo auf der Homepage? „Das sehe ich jetzt zum ersten Mal“, sagt der als Zeuge geladene Prediger dem Richter, als dieser ihm einen Screenshot zeigt. „Sie wollen allen Ernstes hier vor Gericht sagen, dass sie nicht wissen, dass das ISZeichen auf ihrer Homepage war?“, fragt der Staatsanwa­lt grantig nach. Nein, er habe die Gestaltung der Homepage einem aus dem Verein überlassen und das nicht nachgeprüf­t. Gegen den Imam läuft ebenfalls ein Ermittlung­sverfahren. Er sei als „Koryphäe“bekannt, sagt der Staatsanwa­lt und wundert sich, dass dieser nach wie vor in heimischen Moscheen predige. „Ja, ich mache Vorträge“, sagt der Imam aus Linz. Und so nebenbei kommt die Rede auf seine Tochter, die irgendwelc­he Probleme „mit dem Schwimmen in der Schule“gehabt habe. Er habe nach besseren schulische­n Alternativ­en für die Tochter gesucht. Und gefunden. In Wien etwa böten sich hervorrage­nde Möglichkei­ten. „Da gibt es islamische Kindergärt­en, islamische Volksschul­en, in denen die Kinder den Koran lernen“, wirbt der Imam. Und weil er mit dem Gericht gerade angeregt im Disput ist, kommt auch das Thema Jihad zur Sprache. Es geht ja auch darum, ob er als Prediger die hinter ihm sitzenden Angeklagte­n womöglich verleitet habe, als Kämpfer nach Syrien zu ziehen. Er verwehrt sich strikt gegen diesen Vorhalt, sagt aber, dass es an sich ja nichts Schlechtes sei, „wenn Menschen aus Europa und anderswo nach Syrien fahren, um dort den Menschen zu helfen“.

Schussverl­etzungen

Der Ältere des angeklagte­n Brüderpaar­es, ein 23 Jahre alter Österreich­er mit türkischen Wurzeln, ist jedenfalls nach Syrien gefahren – wie er zugibt. Er habe aber nie für den IS gekämpft, sondern als Sanitäter für die gemäßigte Freie Syrische Armee gearbeitet. Nach seiner Rückkehr nach Wien – er hatte an den Beinen schwere Schussverl­etzungen erlitten – soll er seinen jüngeren Bruder für den IS angeworben haben. Was er aber entschiede­n zurückweis­t.

Der Jüngere war festgenomm­en worden, als er in die Türkei fliegen wollte. Er habe nur geplant, dort in eine islamische Schule zu gehen, beteuert er.

Und jetzt kommt der Abschiedsb­rief an die „leuchtende Rose des Islam“ins Spiel. In diesem Schreiben teilte er seiner Schulfreun­din, die heute als Zeugin aussagt, nicht nur mit, dass die wahren Muslime siegen werden, sie solle auch niemanden sagen, „wohin ich gehe und was ich tue“. Sie solle den Brief in tausende Stücke reißen oder wegwerfen und „einen anderen Bruder heiraten“. Und sie solle die sozialen Medien deaktivier­en. Warum? „Er wollte, dass ich mich mehr um meine Religion kümmere“, erklärt sie dem Richter.

Für den Staatsanwa­lt sind diese Passagen ein ernster Hinweis darauf, dass der Angeklagte nach Syrien wollte, was dieser mit dem Hinweis auf ein Rückflugti­cket aus der Türkei kategorisc­h ver- neint. Von der jungen Freundin, deren Bekleidung nur das Gesicht unbedeckt lässt, erfahren Staatsanwa­lt und Richter genau nichts.

Sie parliert eloquent durch die Fragen, beteuert, dass sie einiges nur vage, mehrheitli­ch gar nichts mitbekomme­n habe und dass sie sich mit Themen wie dem IS gar nicht beschäftig­t habe. Und wenn der Staatsanwa­lt schon leicht rote Zorneswang­en bekommt, fragt sie leise provokant nach: „Was ist jetzt genau ihre Frage?“

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sagen dürfe, „wohin ich gehe und was ich tue“.
Der Angeklagte schrieb an seine Schulfreun­din, dass sie niemandem sagen dürfe, „wohin ich gehe und was ich tue“.

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