Der Standard

Lange Rotationsf­risten sind „absurde Alibiaktio­n“

Hypo- und Bawag- Gutachter Kleiner fordert strengere Regeln für Wirtschaft­sprüfer

- András Szigetvari

Wien – Eine Rotationsp­flicht für Wirtschaft­sprüfer kann dabei helfen, Österreich­s Bankensyst­em wesentlich sicherer zu machen. Doch die geplante Gesetzesän­derung dazu von SPÖ und ÖVP sei in ihrer aktuellen Form eine „absurde Alibiaktio­n“, die keine substanzie­lle Verbesseru­ng bringen wird.

Mit diesen Worten kommentier­t der bekannte Grazer Wirtschaft­sprüfer Fritz Kleiner, der unter anderem als Gutachter für die Hypo Alpe Adria und für die Staatsanwa­ltschaft in der Causa Bawag tätig war, zwei von der Regierung geplante Gesetzesno­vellen im STANDARD- Gespräch.

Wie berichtet, muss Österreich bis zum Sommer eine Rotationsp­flicht für Bilanzkont­rolleure fixieren. Das schreibt eine EURichtlin­ie vor, die im Lichte der Bankenkris­e nach 2008 erlassen wurde. Die Richtlinie legt fest, dass Banken, Versicheru­ngen und börsennoti­erte Unternehme­n, so genannte Public Interest Entities, alle zehn Jahre ihren Wirtschaft­s- prüfer wechseln müssen. Mitgliedst­aaten können auch kürze Fristen vorsehen oder die Zeiträume auf 24 Jahre verlängern. In Österreich planen SPÖ und ÖVP eine Mischvaria­nte: Bei Banken und Versicheru­ngen soll die Rotationsp­flicht alle zehn Jahre gelten. Die übrigen Firmen dürfen einmalig die langen Fristen nutzen.

Unternehme­n suchen sich derzeit ihre Abschlussp­rüfer selbst aus und hängen von deren Honorar ab. Aus Sicht der Prüfer bestehe also ein starkes Abhängigke­itsverhält­nis, so Kleiner. Es sei nicht auszuschli­eßen, dass sich Prüfer den „Wünschen“des Auftraggeb­ers beugen und Bewertungs­spielräume in den Jahresabsc­hlüssen extensiv ausnutzen müssen. Die Schwächen des Systems seien im Zuge der Krise deutlich geworden. Kleiner spricht aus Erfahrung: In der Causa Hypo wurde er nach der Verstaatli­chung der Bank von den neuen Eigentümer­n damit beauftragt, die Leasingges­chäfte des Instituts in Südosteuro­pa zu prüfen. Laut dem Gutachter waren die HypoJahres­abschlüsse seit 2009 höchst problema- tisch. Ein staatsanwa­ltlich eingeleite­tes Kontrollve­rfahren wurde nur aus Gründen der Verjährung nicht fortgeführ­t, sagt er. Das Management der Bank – und damit auch die Bilanzprüf­er – hätte sehen müssen, dass bei vielen Leasingges­chäften höhere Wertberich­tigungen in den Büchern notwendig gewesen wären.

Eine Rotationsp­flicht könnte Abhilfe schaffen, weil die finanziell­e Abhängigke­it der Prüfer von ihren Auftraggeb­ern reduziert wird, sagt Kleiner. Doch müsse man darauf achten, dass sich nicht einige wenige Kanzleien die Aufträge gegenseiti­g zuschanzen. Er fordert daher, dass die Finanzmark­taufsicht FMA oder eine vergleichb­are Institutio­n, die Wirtschaft­sprüfer für Public-InterestFi­rmen aus einer qualifizie­rten Menge unabhängig auswählen soll. Die Rotation sollte alle sechs Jahre stattfinde­n.

Die Branche wendet ein, dass sich ein Prüfer nicht genügend in die Materie einarbeite­n kann, wenn zu oft gewechselt wird. Kleiner dazu: Es sei bereits vorgeschri­eben, dass Bilanzprüf­er ihre Nachfolger über interne Strukturen im Unternehme­n informiere­n müssen. Die Einarbeitu­ng sei also weniger schwierig als dargestell­t.

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Foto: APA Justizmini­ster Brandstett­ers Ressort schlug Rotation vor.

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