Lange Rotationsfristen sind „absurde Alibiaktion“
Hypo- und Bawag- Gutachter Kleiner fordert strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer
Wien – Eine Rotationspflicht für Wirtschaftsprüfer kann dabei helfen, Österreichs Bankensystem wesentlich sicherer zu machen. Doch die geplante Gesetzesänderung dazu von SPÖ und ÖVP sei in ihrer aktuellen Form eine „absurde Alibiaktion“, die keine substanzielle Verbesserung bringen wird.
Mit diesen Worten kommentiert der bekannte Grazer Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner, der unter anderem als Gutachter für die Hypo Alpe Adria und für die Staatsanwaltschaft in der Causa Bawag tätig war, zwei von der Regierung geplante Gesetzesnovellen im STANDARD- Gespräch.
Wie berichtet, muss Österreich bis zum Sommer eine Rotationspflicht für Bilanzkontrolleure fixieren. Das schreibt eine EURichtlinie vor, die im Lichte der Bankenkrise nach 2008 erlassen wurde. Die Richtlinie legt fest, dass Banken, Versicherungen und börsennotierte Unternehmen, so genannte Public Interest Entities, alle zehn Jahre ihren Wirtschafts- prüfer wechseln müssen. Mitgliedstaaten können auch kürze Fristen vorsehen oder die Zeiträume auf 24 Jahre verlängern. In Österreich planen SPÖ und ÖVP eine Mischvariante: Bei Banken und Versicherungen soll die Rotationspflicht alle zehn Jahre gelten. Die übrigen Firmen dürfen einmalig die langen Fristen nutzen.
Unternehmen suchen sich derzeit ihre Abschlussprüfer selbst aus und hängen von deren Honorar ab. Aus Sicht der Prüfer bestehe also ein starkes Abhängigkeitsverhältnis, so Kleiner. Es sei nicht auszuschließen, dass sich Prüfer den „Wünschen“des Auftraggebers beugen und Bewertungsspielräume in den Jahresabschlüssen extensiv ausnutzen müssen. Die Schwächen des Systems seien im Zuge der Krise deutlich geworden. Kleiner spricht aus Erfahrung: In der Causa Hypo wurde er nach der Verstaatlichung der Bank von den neuen Eigentümern damit beauftragt, die Leasinggeschäfte des Instituts in Südosteuropa zu prüfen. Laut dem Gutachter waren die HypoJahresabschlüsse seit 2009 höchst problema- tisch. Ein staatsanwaltlich eingeleitetes Kontrollverfahren wurde nur aus Gründen der Verjährung nicht fortgeführt, sagt er. Das Management der Bank – und damit auch die Bilanzprüfer – hätte sehen müssen, dass bei vielen Leasinggeschäften höhere Wertberichtigungen in den Büchern notwendig gewesen wären.
Eine Rotationspflicht könnte Abhilfe schaffen, weil die finanzielle Abhängigkeit der Prüfer von ihren Auftraggebern reduziert wird, sagt Kleiner. Doch müsse man darauf achten, dass sich nicht einige wenige Kanzleien die Aufträge gegenseitig zuschanzen. Er fordert daher, dass die Finanzmarktaufsicht FMA oder eine vergleichbare Institution, die Wirtschaftsprüfer für Public-InterestFirmen aus einer qualifizierten Menge unabhängig auswählen soll. Die Rotation sollte alle sechs Jahre stattfinden.
Die Branche wendet ein, dass sich ein Prüfer nicht genügend in die Materie einarbeiten kann, wenn zu oft gewechselt wird. Kleiner dazu: Es sei bereits vorgeschrieben, dass Bilanzprüfer ihre Nachfolger über interne Strukturen im Unternehmen informieren müssen. Die Einarbeitung sei also weniger schwierig als dargestellt.