Der Standard

Fabergés Erben

Der russische Oligarch Wiktor Wekselberg brachte einen Teil der vom Juwelier Carl Fabergé hergestell­ten Schmuckeie­r zurück nach Russland. Aber vollständi­g wird die Sammlung wohl nie mehr. Zu nachlässig war die Sowjetunio­n damit.

- Johanna Ruzicka

Als im November 2013 im Schuwalow-Palast im Zentrum von Sankt Petersburg ein Fabergé-Museum eröffnet wurde, wurde dies ausgiebig gefeiert. Wiktor Wekselberg, ein mächtiger Oligarch und diversen Rankings zufolge einer der reichsten Männer der Welt, hatte eine Sammlung von neun Fabergé-Eiern ersteigert und sie pflichtsch­uldigst Russland überantwor­tet. Das Land war damit wieder im Besitz eines wichtigen Kulturerbe­s. Oder zumindest von Teilen davon.

Denn von den 50 reich geschmückt­en Preziosen, die der hugenotten­stämmige Juwelier Carl Fabergé in 25 Jahren ab 1885 für die Osterfeste der Zarenfamil­ie gefertigt hatte, waren zu Zeiten der Sowjetunio­n schlussend­lich nur mehr zehn Stück im Land gewesen. Alle anderen waren in der ganzen Welt verstreut. Von nur mehr 43 Stück war (und ist) bekannt, wo sie sich befinden.

Über die Jahre hatten die Romanow-Zaren ihren Frauen zu Ostern jeweils eines der von Fabergé gefertigte­n Eier geschenkt. Das Besondere daran: Sie beinhaltet­en immer eine Kostbarkei­t, sie waren sozusagen die allererste­n Überraschu­ngseier. Einmal war da eine funktionie­rende kleine Eisenbahn im Inneren versteckt, ganz aus Gold und in stolzer Erinnerung an den Bau der Transsibir­ischen Eisenbahn. Ein andermal fand sich eine zarte, aus Goldfäden gesponnene Kutsche darin. Es gab auch erlesene Schmuckstü­cke oder zarte Emailbilde­r der Zarenfamil­ie im Innern.

Große Goldschmie­dekunst

Carl Fabergé setzte seinen ganzen Ehrgeiz darin, seinen Auftraggeb­er zu jedem Osterfest mit seinen Arbeiten in Erstaunen zu versetzen. Nur ganz selten fertigte er Stücke auch für andere zahlungskr­äftige Kunden wie Emanuel Nobel, den Bruder Alfreds, der den Nobelpreis initiierte. Oder für den russischen Goldminenb­esitzer Alexander Kelch. Die Arbeiten machten den Juwelier noch zu Lebzeiten berühmt. Bis zu 1500 Goldschmie­de beschäftig­te Fabergé in Sankt Petersburg und London zu Spitzenzei­ten.

1916/17 fand die lieb gewordene, wiewohl teure Tradition ein jähes Ende. Die Zarenfamil­ie wurde im Verlauf der Russischen Revolution in Jekaterine­nburg hingericht­et. Der Zarenmutte­r Maria Fjodorowna gelang über die Halbinsel Krim die Flucht ins Ausland, in ihre frühere Heimat Dänemark. Mit im Gepäck hatte sie das letzte Ostergesch­enk ihres Sohnes Nikolaus II.: das neun Zentimeter hohe, aus Elfenbein, Silber und Gold bestehende „St.-Georgs-Orden-Ei“. Die restlichen Ostergesch­enke verblieben in den Zarenpaläs­ten rund um Sankt Petersburg – aber nicht lange.

Mit der Machtübern­ahme der bolschewis­tischen Revolution­äre setzte rund um den reichen Besitz der Zarenfamil­ie ebenso wie des Adels eine Enteignung­swelle sonderglei­chen ein. Als Lebensmitt­el knapp wurden, wurde verscherbe­lt, was nicht niet- und nagelfest war. Viele außergewöh­nliche russische Werke, die heute die Museen dieser Welt schmücken, gingen ins Ausland.

Besonders die Ostereier wurden als zutiefst bourgeois empfunden. Drehscheib­e für den Verkauf war eine Abteilung des russischen Handelsmin­isteriums, genannt Antikvaria­t. Bis zum Ende der Sowjetunio­n hatte diese die Aufgabe, mit russischer, auch sowjetisch­er Kunst zu handeln.

Auf westlicher Seite taten sich dabei einige dubiose Händler hervor, vor allem der Amerikaner Armand Hammer, der mit Wladimir Lenin bekannt war. Hammer lieferte Waren wie Getreide – und erhielt im Austausch im Laufe der Jahre neun Eier, die er mit hohem Gewinn weiterverk­aufte. So kamen einige Stücke in den Besitz von Lillian Thomas Pratt, der Gattin eines Managers von General Motors. Pratt vermachte ihre Sammlung an das Virginia Museum of Fine Arts. Bis heute gehören die Eier zu den herausrage­ndsten Exponaten des Museums.

Ein neues Kapitel in der Fabergé-Geschichte wurde etwa ab 1980 aufgeschla­gen. Malcolm Forbes, der Herausgebe­r des gleichnami- gen Magazins, stieß zufällig auf eines der Eier. Er ließ sich von dessen Präzision und Schönheit verzaubern und begann zu sammeln. 1985 besaß er elf Stück; mehr als die Sowjetunio­n.

Doch mit dem Tode von Forbes änderte sich das Blatt abermals. Die Erben wollten sich das kostspieli­ge Hobby nicht leisten. 2004 beauftrage­n sie das Kunsthaus Sotheby’s mit der Versteiger­ung. Bevor es zur Auktion kam, trat Wiktor Wekselberg auf den Plan. Der Oligarch schlug um kolportier­te 100 Millionen Dollar zu. Als die russischen Fachleute die Sammlung erstmals inspiziert­en, kam es zu einer nachträgli­chen Genugtuung für die längst untergegan­gene Sowjetunio­n: Forbes hatte nicht nur Stücke erworben, die für die Zarenfamil­ie gefertigt worden waren, sondern auch zwei Eier für andere Kunden.

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 ??  ?? Ein etwa zehn Zentimeter großes Ei aus der Werkstatt von Fabergé, das im Virginia Museum of Fine Arts in Richmond ausgestell­t wird.
Ein etwa zehn Zentimeter großes Ei aus der Werkstatt von Fabergé, das im Virginia Museum of Fine Arts in Richmond ausgestell­t wird.

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