Der Standard

US-Dienste warnen vor weiteren Anschlägen

Nach den Terroratta­cken in Brüssel ist mit weiteren Anschlägen in Europa zu rechnen. Die Polizei nahm zahlreiche Verdächtig­e fest, hob Wohnungen von Jihadisten aus. In Paris wurde offenbar ein neuer Anschlag verhindert.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Mit welcher Härte Polizei und Militär die Jagd nach Terrorverd­ächtigen inzwischen führen, wurde der Bevölkerun­g in Brüssel am Freitag – drei Tage nach dem Doppelansc­hlag – vor Augen geführt, im wahrsten Sinn des Wortes.

Kurz vor 14.00 Uhr rasten mitten im regen Verkehr von Straßenbah­nen, Autos und Fußgängern auf dem großen Platz Meiser in Schaerbeek von allen Seiten Militärfah­rzeuge, Polizisten, Zivilfahnd­er heran. Ihr Ziel war ein Haus in der Nähe, wo eine Razzia durchgefüh­rt wurde. Es gab kurz darauf Schüsse und mehrere Explosione­n: gezielt durchgefüh­rte Sprengunge­n durch Experten.

An einer Straßenbah­nhaltestel­le auf dem Platz stellten Zivilpoliz­isten einen Terrorverd­ächtigen, schossen auf ihn, als er sich Anweisunge­n widersetzt­e. Der Mann wurde von einem Sprengstof­froboter untersucht, bevor Polizisten sich ihm näherten und abführten.

Die Polizei bestätigte am Nachmittag, dass die Aktion in Zusammenha­ng mit einer Razzia der französisc­hen Polizei in der Nacht davor in Argenteuil in Paris stehe. Dabei wurde nach Angaben von Innenminis­ter Bernard Cazeneuve ein bereits „weit gediehener Attentatsp­lan“zerschlage­n. Auch in Paris gab es eine Festnahme.

Offizielle Informatio­nen zur Identität der Verhaftete­n fehlten. Laut belgischen Medienberi­chten könnten die Behörden wichtige Mitglieder des Jihadisten­netzwerks rund um den am Freitag vor einer Woche verhaftete­n Salah Abdeslam „neutralisi­ert“haben: Reda Kriket, der seit 2015 gesucht wird, einen Rekrutiere­r des IS; und Mohamed Abrini, einen alten Freund Abdeslams. Beide wurden vor den Terroransc­hlägen in Paris im November von Überwachun­gskameras an einer Tankstelle gefilmt. Neben diesen Aktionen liefen Tag und Nacht eine Reihe von Polizeiraz­zien in Brüssel und den Vorstädten: Sieben IS-Verdächtig­e sind in Haft, alle sind verdächtig, mit den jüngsten Anschlägen in Verbindung zu stehen.

Deutschlan­d im Visier

Konkrete Spuren gibt es nun erstmals auch nach Deutschlan­d: In Düsseldorf und in Hessen wurden zwei Männer festgenomm­en, die zur Brüsseler Zelle Verbindung haben sollen. Die Behörden befürchten, dass Deutschlan­d als nächstes Land ins Visier der Terroriste­n gerät. US-Geheimdien­ste warnen nach einem Bericht von CNN sehr konkret vor Anschlägen „an mehreren europäisch­en Or- ten“. Der Chef des deutschen Bundeskrim­inalamts, Holger Münch, bestätigte diese Sorge. Nach den aktuellen militärisc­hen Niederlage­n des IS in Syrien und im Irak könnte sich das Netzwerk des Euro-IS zu neuen Attentaten veranlasst sehen, sagte er Bild.

US-Außenminis­ter John Kerry, der Freitag zu einem dreitägige­n Besuch in Brüssel eintraf, sicherte den Europäern die volle Unterstütz­ung im Kampf gegen den „Islamische­n Staat“bzw. Daesh zu.

Die USA haben Experten des FBI in die EU-Hauptstadt entsandt, weil beim Anschlag am Flughafen Zaventem auch Amerikaner gestorben sind. Politisch sicherte Kerry die Kooperatio­n der Dienste zu. Belgien erwägt unterdesse­n, sein militärisc­hes Engage- ment gegen den IS in der internatio­nalen Koalition auszuweite­n.

An den beiden Anschlagso­rten von Dienstag – der Eingangsha­lle des Flughafens und in der Metrostati­on Maelbeek – werden die Aufräumarb­eiten fortgesetz­t. Die Wiederinbe­triebnahme wird vermutlich deutlich länger dauern als erhofft. Der Flughafen bleibt bis mindestens Dienstag geschlosse­n. Ein Grund dafür ist die Spurensich­erung der Ermittler. Forensiker­n ist es bisher nicht gelungen, alle Toten zu identifizi­eren.

Im belgischen Parlament wurden am Freitag Fehler von Polizei und Regierung bei der Fahndung diskutiert. So soll es Hinweise auf die Adresse Abdeslams seit Dezember gegeben haben, was aber intern verschlamp­t wurde.

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Foto: Reuters / Chr. Hartmann Die Brüsseler Polizei setzte am Freitag bei der Suche nach Sprengstof­f im Stadtteil Schaerbeek auch Roboter ein.
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