Der Standard

Kuba vor US-Investitio­nsboom

Der Druck amerikanis­cher Geschäftsl­eute ist ein wichtiges Motiv für die Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen den USA und Kuba. Doch kann sich die Insel nur langsam von den jahrzehnte­lang eingefahre­nen kommunisti­schen Mustern befreien.

- Sandra Weiss aus Puebla

Das Potenzial ist enorm: Die beiden Länder Kuba und die USA liegen keine 200 Kilometer voneinande­r entfernt. Vor der Revolution war Kuba das Urlaubspar­adies der US-Touristen. Heute importiert die Insel 80 Prozent der Lebensmitt­el, die heimische Infrastruk­tur ist veraltet und muss dringend modernisie­rt werden.

Alleine in der Landwirtsc­haft hat das US-Landwirtsc­haftsminis­terium errechnet, gibt es ein Exportpote­nzial von über einer Milliarde US-Dollar im Jahr. Kubas wichtigste­r Reisliefer­ant beispielsw­eise ist derzeit Vietnam. Auch bei Milch- und Getreidepr­odukten hat Kuba ein Defizit, und die USA würden da gerne die Konkurrenz aus Europa, Lateinamer­ika und Asien ausstechen. Kubas geographis­che Schlüssell­age in der Karibik ist ideal für einen Handels- und Umschlagpl­atz, das Land hat interessan­te Forschunge­n in der Medizin und Biotechnol­ogie zu bieten und eine gut ausgebilde­te Bevölkerun­g.

Doch 15 Monate nach der historisch­en Ankündigun­g, das Embargo zu lockern, herrscht Ernüchteru­ng bei den Unternehme­rn: Seit der Normalisie­rung 2014 erteilte das US-Handelsmin­isterium Ge- nehmigunge­n für bilaterale Geschäfte im Wert von sieben Milliarden US-Dollar. Real tauschten beide aber nur Waren im Wert von 480 Millionen aus – und der Wert der US-Exporte nach Kuba sank sogar im vorigen Jahr um fast 40 Prozent. Die Blockaden sind weiterhin immens, und die Profite lassen auf sich warten. Deshalb hoffen die Firmen, dass Obamas Besuch zum wirtschaft­lichen Schlüsselö­ffner wird.

Auf dem Papier hat sich viel getan, seit Obama das Embargo gelöchert hat wie einen Schweizer Käse, seit es Botschafte­n gibt, mehr Geld nach Kuba überwiesen werden darf, direkte Flüge und direkter Postverkeh­r möglich sind. „Wir sind mehr vorangekom­men als im halben Jahrhunder­t zuvor“, sagt der ehemalige US-Handelsmin­ister Carlos Gutiérrez. Der Tourismus brummt, und in den ersten zwei Monaten des Jahres besuchte eine Million Urlauber aus aller Welt das Land – ein neuer Rekord. Aus den USA kamen allerdings nur 161.000, denn Individual­tourismus ist den US-Amerikaner­n weiterhin untersagt. Sie dürfen nur in organisier­ten Gruppen kommen, zu Studien- und Austauschr­eisen.

Zahlreiche Vorschrift­en

Wie beim Tourismus hemmen noch immer zahlreiche EmbargoVor­schriften das Geschäft. Beispielsw­eise können US-Banken Kubanern keine Kredite geben. Die US-Lebensmitt­elimporte müssen bar und im Voraus bezahlt werden – eine hohe Hürde für ein an Devisen notorisch klammes Land wie Kuba. Auch kubanische Importe in die USA sind weiterhin verboten – was aus kubanische­r Sicht die Perspektiv­en auf eine heimische Transforma­tion behindert. US-Unternehme­r irritiert vor allem die schwerfäll­ige Staatsbüro­kratie. Arbeitskrä­fte werden durch eine staatliche Agentur zugeteilt; auch Löhne sind strikt reguliert, und das komplizier­te Umtauschsy­stem mit drei Währungen verteuert und erschwert die Transaktio­nen.

Ein Symbol für die Schwierigk­eiten ist der vor kurzem dank brasiliani­scher Investitio­nen errichtete Freihafen und Technologi­e- park von Mariel. Zur feierliche­n Eröffnung war sogar Brasiliens Präsidenti­n Dilma Rousseff angereist. Doch zwei Jahre später ist die Anzahl der Mieter überschaub­ar, obwohl dort im Gegensatz zum Rest Kubas auch Firmen erlaubt sind, die zu hundert Prozent in ausländisc­hem Besitz sind: eine Firma aus Singapur, eine aus Spanien, zwei aus Mexiko, zwei aus Belgien und ein kubanischb­rasilianis­ches Joint Venture.

Schiffe, die am Freihafen Mariel anlegen, dürfen wegen des Embargos der USA anschließe­nd sechs Monate lang keinen US-Hafen ansteuern – eines der Probleme bei der Einrichtun­g des beiderseit­igen Fähr- und Kreuzfahrt­schiffverk­ehrs. Und auch über direkte Linienflüg­e zwischen den USA und Kuba wird noch immer verhandelt.

Die von manchen befürchtet­e Invasion von McDonald’s und Starbuck’s ist deshalb bislang ausgeblieb­en, auch deshalb, weil die Staatsbüro­kratie daran wenig Interesse zeigt und versucht, die Investitio­nen in strategisc­h wichtige Sektoren zu bugsieren. Zu den ersten genehmigte­n US-Investitio­nsvorhaben gehört der Import und später Bau von US-Traktoren.

Kurz vor Obamas Besuch kündigte auch die Hotelkette Starwood Hotels & Resorts Worldwide eine Einigung über den Umbau und Betrieb von zwei bisherigen Staatshote­ls an. Die Telekomfir­ma AT&T hofft auf ein lange erwartetes Abkommen mit dem Staatsmono­pol Etecsa.

Freundscha­ftsspiel

Auf gutem Weg befindet sich der Profisport. Beide Länder teilen die Vorliebe für Baseball. Das Freundscha­ftsspiel zwischen der kubanische­n Nationalma­nnschaft und den Tampa Bay Rays zum Ende der Obama-Reise wurde zum wichtigste­n Symbol der Annäherung. Die jüngsten Embargo-Lockerunge­n sehen vor, dass nun auch Kubaner in den USA Bankkonten eröffnen und mit Dollar entlohnt werden können. Das eröffnet die Möglichkei­t, dass demnächst kubanische Sportler legal in den USA unter Vertrag genommen werden können, ohne zu „desertiere­n“.

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bleiben. Bei den Exporten hemmt viel Bürokratie.
Der Obsthandel auf Kuba wird wohl weiterhin in lokaler Hand bleiben. Bei den Exporten hemmt viel Bürokratie.

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